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Das Herz meines Feindes

Das Herz meines Feindes

Titel: Das Herz meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rexanne Becnel
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Vergeltungsmaßnahmen ihres Mannes niemanden außer sie selbst treffen würden. Aber sie war bereit, diese Vergeltungsmaßnahmen zu ertragen, egal wie sie aussehen mochten. Sie würde sie ertragen, und eines Tages würde sie Rache an ihm nehmen für die wachsende Liste an Verbre chen, die er gegen Orrick verübte.
    Im Schlosshof herrschte eine unwirkliche Stille. Nur der launische Wind, der an ihrem schweren Wollrock und ihrem sorgfältig frisierten Haar zerrte, unterbrach die Stille. Als Corbett in das Schloss einritt, seine Männer ihm dicht auf den Fersen, erinnerte sich Lilliane an seine erste Ankunft in Or rick. Wie damals war die gesamte Bevö l kerung von diesem mächtigen Ritter und seiner arroganten Art eingeschüchtert.
    Aber Lillianes Empfindungen an jenem Tag waren nichts verglichen mit dem tiefsitzenden Grauen, das sie heute erfüll te. Wenn sie die Wahl zwischen Furcht und Zorn hatte, bevor zugte Lilliane grundsätzlich das letztere. Aber sie konnte nicht verhindern, dass sich ein Angs t schaudern ihr Rückgrat hinabschlängelte, als sie ihre zornigen Augen zu ihm emporhob. Wie er es so häufig zu tun pflegte, sprach er nicht sofort zu ihr. In der unbehaglichen Stille, die nun folgte, glitten seine Augen über sie hinweg. Unwillkürlich nahm sie ihn ebenfalls in sich auf. Sie bemerkte seine staubige, von der Reise mitge nommene Erscheinung und die schlecht verhehlte Erschöp fung in seinem Gesicht. Aber seine Augen waren grau wie Granit und blickten so scharf und durchdringend wie eh und je. Einen Augenblick lang verdunkelten sie sich, und sie glaubte ein glimmendes Feuer in ihren Tiefen zu erkennen. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem kalten Lächeln.
    »Ich will ein Bad und ein Mahl. Und veranlasse die Ver sorgung meiner Männer.« Er verlagerte sein Gewicht, und sein Ledersattel quietschte unter ihm. »Und folge meiner Warnung, meine süße Frau. Du warst bislang nichts als ein Ärgernis. Du solltest jetzt anfangen darüber nachzudenken, welchen Wert als Gattin du hast.«
    »Oder was?« fragte Lilliane herausfordernd, doch ihre Worte waren nicht lauter als ein Flüstern. »Wirst du dich meiner sonst ebenso leicht entledigen, wie du es mit meinem Vater getan hast?«
    Bei diesen Worten richtete er sich auf, aber seine Narbe schien dunkler zu werden, und er runzelte die Stirn. »Tu deine Pflicht«, befahl er kurz angebunden, als er sein Ross umwand te. »Dann komm in unser Gemach, und erwarte mich dort.«
    Das war schlimmer, als sofort bestraft zu werden. Sie wagte es nicht, ihm zu widersprechen, denn sie fürchtete, dass seine Rache sich nicht gegen sie, sondern gegen ihre Leute richten würde. Doch sich bescheiden seinen selbstsüchtigen Befehlen fügen zu müssen, war in der Tat bitter.
    Während sie eilig ihre Aufgaben erledigte, Wasser für die Badezuber erhitzen und Mahlzeiten vorbereiten ließ, schwankten ihre Em p findungen zwischen überwältigendem Zorn und zunehmender Verzwei f lung. Ihre Anstrengungen waren vergebens gewesen. Ihr Vater war noch immer tot, und Corbett hatte Orrick immer noch in seiner Gewalt, ge nau wie er es von Anfang an geplant hatte.
    In der Küche fanden, abgesehen von einem flüc h tigen Überprüfen der Platten mit kaltem Fleisch und den Brotkör ben, keine Gespräche statt. Zwei Männer zogen den ächzen den Bierkarren hinter sich her, und die schweigende Reihe der Diener machte sich auf den Weg in die große Halle.
    Aber Lilliane weigerte sich, ihnen zu folgen. Das brachte sie einfach nicht über sich. Auf einer engen Hintertreppe ging sie einen muffigen Weg in das Turmzimmer hinauf, um dort den Zorn ihres Gatten zu erwarten.
    Sie zweifelte nicht an seiner Wut trotz seines beherrschten Auftr e tens. Doch zumindest waren Thomas und die anderen in Sicherheit, dachte sie. William war der einzige, bei dem zu befürchten war, dass auch er Corberts Rache zu spüren be kommen würde. Wenn er nur nicht hier geblieben wäre, quälte sie sich. Aber obwohl es Verone mittlerweile besser ging, war gar nicht daran zu denken, mit ihr zu reisen, ehe das Kind nicht geboren war. Lilliane schritt nervös in ihrem Gemach auf und ab. Wenn Corbett William bestrafte, dann konnte das sich äußerst unheilvoll auf Verones ohnehin schon schwache Verfassung auswirken. Und man musste schließlich auch an das Kind denken.
    Die Minuten schienen sich endlos auszudehnen. Im Zim mer wurde es langsam dunkel, aber Lilliane konnte sich, nicht dazu aufraffen, eine Fackel oder auch nur eine Kerze

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