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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ich dachte, es wäre deine Mutter. Bin ich wirklich wach?«
    »Ja, Vater, ja! Ich bin's!« Sie umklammerte, was sie von ihm zu fassen bekam — er war so dünn? Trotzdem, es war wirklich ihr Vater, nach all der Zeit eindeutig
er.
»Ich habe nicht geglaubt, dass ich dich wiedersehe!« Sie lachte unter Tränen. »Ich meine ... sehen kann ich dich immer noch nicht ...!«
    Er lachte auch. »Bist du wohlauf? Was machst du hier? Götter, Kind, das ergibt doch keinen Sinn! Bist du ganz allein hier?«
    »Ich habe gehört, dass der Autarch dich gefangen hält. Ich bin gekommen, um ...« Sie konnte keine Zeit mit Erklärungen vergeuden. »Das ist eine lange Geschichte. Aber wir müssen dich hier wegbringen!«
    »Nein, mein Lämmchen, du musst weg von hier. Sie werden bald wiederkommen, um mich in mein übliches Gefängnis zu bringen. Sie haben mich nur hierher gesteckt, weil jemand einen Vorposten angegriffen hat und Vash befürchtete, es sei ein Versuch, mich zu befreien. Der Autarch ist heute Abend nicht im Lager, und sein Minister hat schreckliche Angst, dass in seiner Abwesenheit etwas schiefgehen könnte.«
    »Ein Grund mehr, dich sofort hier herauszuholen«, sagte sie.
    »Es geht nicht, Briony. Das hier ist nicht einfach nur ein Gitterpferch — es ist ein Käfig mit vergitterter Oberseite und einem Gitterboden, der in die Erde eingelassen ist.« Er sprach leise, aber Briony hörte Bewegung und Wispern unter den anderen Gefangenen. »Ich weiß nicht genau, was der Autarch vorhat, aber er ist besessen davon, Südmarksburg zu erobern, und glaubt, wenn er die Burg erst einmal eingenommen hat, könnte er irgendwie einen Gott erwecken. Bist du mit Shaso oder Brone hier? Kannst du ihnen das sagen?«
    Briony lachte, aber es war ein bitteres Lachen. »Shaso ist tot«, sagte sie. »Es tut mir leid, Vater, aber er kam bei einem Brand in Marrinswalk ums Leben. Brone ist entweder Gefangener auf der Burg oder ein Verräter — oder vielleicht auch beides. Hendon Tolly hält die Burg noch, aber ich habe gehört, er soll mit dem Autarchen über irgendetwas verhandelt haben.«
    »Wie bist du dann hierhergekommen? Ist Barrick bei dir?«
    »Frag jetzt nicht. Wir müssen dich freibekommen.« Aber plötzlich war Barricks Name in ihr wie ein Funke, der langsam zur Flamme anwuchs.
    »Das geht nicht! Für mich ist es zu spät, Liebes. Aber dich dürfen sie nicht ergreifen. Geh! Geh, bevor die Wachen wiederkommen.«
    »Nein.« Und jetzt lohte es in ihr, ein Feuer, das sie monatelang niedergehalten hatte. »Warum hast du mich belogen? Warum hast du das getan, Vater?«
    Er klang überrascht, aber nicht schockiert. »Was meinst du?«
    »Du hast mir nie die Wahrheit gesagt über ... deinen Fluch. Über Barrick. Über die Nacht, in der er sich den Arm gebrochen hat.« Sie biss sich auf die Lippe, kämpfte wieder gegen die Tränen. »Warum hast du mich belogen?«
    Eine ganze Weile herrschte Schweigen. Ihr Vater hatte ihre Arme festgehalten, ließ sie jetzt aber los und trat sogar einen halben Schritt vom Gitter zurück. »Ich ... es tut mir leid.«
    »Aber warum? Warum hast du's mir nicht gesagt? Warum hast du's uns nicht gesagt?«
    »Ich habe mich geschämt, Mädchen. Verstehst du das nicht? Geschämt, weil ich mein verdorbenes Blut an die weitergegeben habe, die mir das Liebste auf der Welt waren. Geschämt, weil ich meinen eigenen Sohn beinahe getötet hätte!« Seine flüsternde Stimme war belegt. »Und jetzt fängt es wieder an!«
    »Was fängt an?«
    »Das Gift! Das Gift in meinen Adern — ich fühle es wieder. O barmherzige Götter, Briony, ich mag ja das letzte Jahr ein Gefangener gewesen sein, aber wenigstens war ich frei von dem Fluch meines Blutes! Verstehst du? Zum ersten Mal hat mich der Wahnsinn, der sonst fast jeden Monat über mich kam, überhaupt nicht behelligt. Doch je näher wir der Burg kamen — meinem eigenen Zuhause! —, desto spürbarer kehrte das Leiden zurück. Selbst jetzt fühle ich es in meinen Adern brodeln ...«
    »Aber ich hätte dir doch geholfen! Du hättest es mir sagen sollen! Wir hätten ein Heilmittel gefunden — Chaven hätte etwas gefunden, um dich zu kurieren ...«
    »Man kann niemanden von seinem eigenen Blut kurieren«, flüsterte der König bitter. »Es sei denn, man schlitzt ihm die Kehle auf und hängt ihn an den Beinen auf wie ein geschlachtetes Schwein.«
    Briony fing wieder an zu weinen. »Dann ist es auch mein Fluch, Vater. Du hattest kein Recht, es für dich zu behalten.«
    »Verstehst du denn

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