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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nicht?« Er trat wieder an Gitter, fasste sie an den Schultern und zog sie an das kalte Metall, damit er die Wange an ihre legen konnte. »Ich hätte alles getan, um es für mich zu behalten. Du und Kendrick, ihr habt keine Anzeichen dafür gezeigt, dass ihr es auch in euch hattet.«
    »Aber was ist es denn? Warum wir? Warum die Eddons?«
    »Wegen der Liebe«, sagte er. »Wegen Verrat und Tod, das auch. Aber vor allem wegen der Liebe.« Und dann erzählte er ihr eine so unglaubliche Geschichte, dass Briony für einen Moment alles andere vergaß und es für sie nur noch die gequälte Stimme ihres Vaters gab.
    »Wir haben ... Zwielichtlerblut?«, fragte sie, als er schließlich verstummt war. »Die Eddons?«
    »Die Qar behaupten, es sei das Blut eines Gottes«, sagte Olin. »Und der Autarch glaubt das auch. Deswegen hält er mich gefangen, sagt er ...«
    »Weswegen?«
    Ihr Vater versuchte es zu erklären, schüttelte aber schließlich den Kopf — sie fühlte es an ihrer Hand. »Ich verstehe es auch nicht genau, aber eins ist klar — wir haben nur noch bis zur Nacht des Mittsommertags Zeit, ihn daran zu hindern — er hat mir gesagt, dann, um Mitternacht, wird das alles stattfinden. Bis dahin sind es nur noch wenige Tage.« Er zögerte; sie fühlte, wie er beschloss, sie nicht noch mehr zu ängstigen. War er für sie immer schon so ein offenes Buch gewesen? Oder war sie es, die sich verändert hatte? »Schnell«, sagte er. »Solange noch Zeit ist, erzähl mir, was du über ...« Aber er brachte den Satz nicht zu Ende. Hinter ihnen näherten sich Stimmen dem Zelt. Olin trat rasch vom Gitter weg.
    »Versteck dich«, flüsterte er. »Schnell«
    Ihr blieb nur ein Moment, vom Gitter wegzuhuschen und sich zu verstecken, ehe die Zeltklappe wieder aufging und da ein Wächter mit einer Fackel stand. Als Olin sich zum Licht drehte, sah sie ihren Vater erstmals, und ihr Herz floss über von Liebe. Er war so dünn! Hinter ihm saßen und lagen Kinder, insgesamt fast ein Dutzend, im Stroh auf dem Käfigboden.
    Briony sah einen hochgewachsenen, dünnen alten Mann in einem fein verzierten Gewand an dem Wächter vorbei eintreten. Auf einen Wink von ihm machte sich ein weiterer Wächter daran, die Gittertür aufzuschließen. »Sagt Euren kleinen Freunden, wenn einer von ihnen zu nah ans Gitter kommt, wird er getötet«, sagte der alte Mann. »Ich will keine Scherereien, König Olin. Es ist Zeit, dass Ihr in Euer Gefängnis zurückkehrt. Wer auch immer diese Banditen waren, sie sind geflohen. Die Weißen Hunde sind hinter ihnen her und werden kurzen Prozess mit ihnen machen.«
    »Ich möchte nicht zurück«, sagte ihr Vater, etwas lauter als nötig. »Ich bin lieber hier bei den anderen Gefangenen. Es sind doch noch Kinder — niemand schenkt ihnen auch nur das kleinste bisschen Freundlichkeit. Ich hätte Euch nicht für so grausam gehalten, Vash.«
    »Ich tue, was mir der Autarch aufträgt, König Olin. Und ich weiß Euer mitfühlendes Herz zu würdigen, aber das ist ein Grund mehr, warum Ihr zurück müsst — ich will nicht, dass Ihr die Kinder aufwiegelt.« Er sagte auf Xixisch etwas zu den Wachen. Das Schloss klackte, die Tür quietschte, und zwei Wachen führten Olin an den Armen hinaus.
    »Nun denn«, rief ihr Vater über die Schulter, als wäre es an die anderen Gefangenen gerichtet. »Vergesst nicht, ich liebe euch alle. Habt Mut — es besteht noch Hoffnung, solange ihr nicht vergesst, wer ihr seid!«
    Briony weinte, als die Zeltklappe fiel. Erst als die Wachen längst weg waren, wagte sie es, sich zu rühren. Ein paar kurze, geflüsterte Gespräche ergaben, dass die gefangenen Kinder ihr nichts Interessantes sagen konnten. Es war ihr schrecklich, sie ihrem unbekannten Schicksal zu überlassen, aber es gab keine andere Möglichkeit. Bei der nächsten Ablenkung schlüpfte sie aus dem Zelt.
    Ich liebe dich auch, Vater.
Briony huschte über den dunklen Anger. Mit etwas Glück würde sie spätestens um Mitternacht wieder in Eneas' Lager sein, und sie könnten gemeinsam über König Olins Rettung nachdenken.
Wenn Liebe unsere Familie verdammt hat, vielleicht vermag sie uns dann ja auch zu retten.

17

Zinnobers Entscheidung
    »In Tessideme herrschte Trauer, weil im Großen Krieg zwischen den Göttern, den die Kirche die Theomachie nennt, so viele junge Männer aus dem Dorf gefallen waren. Die beiden Angespülten wurden sehr freundlich aufgenommen ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für

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