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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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versagt. Ich bin bereit, den Oberbefehl auf der Stelle Kupfer zu übergeben, wenn Ihr mich lasst.«
    »Ihr werdet nichts dergleichen tun«, sagte Malachit Kupfer, der sich vor Schreck an dem Wasser, das er gerade trank, verschluckt hatte.
    »Er hat recht«, sagte Zinnober. »Ihr werdet nichts dergleichen tun, Hauptmann. Wir haben Euch auf die oberste Sprosse der Befehlsleiter gehievt, weil Ihr dafür der beste Mann seid.« Er langte zu seinem Sohn Kalomel hinüber, um ein weiteres Rüstungsteil entgegenzunehmen, aber seine Hände zitterten. »Ihr habt nichts getan, was das in Frage stellen würde. Bei den Alten der Erde, Hauptmann Vansen, Ihr gebt doch wohl nicht Euch die Schuld daran, dass die Qar nicht kommen? Wenn Ihr nicht Euer Leben riskiert hättet, um mit ihnen zu verhandeln, würden wir jetzt gegen sie kämpfen
und
gegen diesen dreckigen Felsrattenschiss von Autarch!« Zinnober sah verlegen drein. »Tut mir leid, Junge. Sag deiner Mutter nicht, dass ich so was in deiner Anwesenheit gesagt habe.«
    Jung-Kalomels Gesicht hellte sich merklich auf.
    Vansen schüttelte den Kopf »Sprecht mich nicht so schnell frei, Magister. Vielleicht würden die Qar und der Autarch sich jetzt gegenseitig bekämpfen, wenn ich mich nicht eingemischt hätte.«
    »Trotzdem«, sagte Kupfer, »redet nicht solchen Unsinn. Niemand hätte irgendetwas anderes getan, aber Ihr wart ohnehin der Einzige, der überhaupt etwas tun
konnte.«
    »Wieder hat unser alter Freund Kupfer recht«, sagte Zinnober und machte dann eine wegwischende Handbewegung. »Genug jetzt. Nur so viel noch, dass wir Euch nicht nur nicht aus Eurer Aufgabe entlassen werden, Hauptmann Vansen, nein, mein Volk wird sich ewig daran erinnern, was Ihr für uns getan habt.« Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: »Vorausgesetzt, die Alten der Erde bestimmen, dass mein Volk überlebt.«
    Vansen, der gerade ganz Ähnliches gedacht hatte, nickte: »Ein kluger Soldat geht nie davon aus, dass die Götter gute Absichten honorieren.« Er spürte, wie er in seinem Pessimismus zu versinken drohte.
    »Nun denn, wenn die Zwielichtler nicht kommen, haben wir wohl keine Veranlassung, noch länger zu warten. Ist hier alles bereit?«
    »Ich nicht.« Zinnober kämpfte immer noch, die Zunge zwischen den Zähnen, mit seinem Brustpanzer.
    Kalomel half seinem Vater, die Bändel zu knoten. »Er ist gleich fertig, Hauptmann.«
    »Und er sieht ungemein fesch aus, unser Zinnober«, sagte Malachit Kupfer fast schon fröhlich, so als hätten sie nicht soeben erfahren, dass sie allein kämpfen mussten. »Überhaupt nicht wie ein dicker Bürgersmann, der alles vergessen hat, was er bei den Zunftwächtern gelernt hat.«
    »Ja, ich bin sicher, sobald sie mich sehen, rennen die Soldaten des Autarchen allesamt davon«, sagte Zinnober, aber nach Lachen war doch niemandem zumute.

    Er war ein Tier geworden, ein Wesen mit rauhem, verfilztem Haar und scharfen Zähnen. Er konnte sie riechen. Er wusste, dass die Soldaten sie übers Wasser gebracht hatten — er hatte ihre Witterung, und die sagte ihm alles. Er roch sogar das warme Blut, das hervorspritzen würde, wenn er sie zu packen bekam und biss und riss...
    Daikonas Vo erschauerte und blinzelte mehrmals. Nein, er war kein Tier. Er war ein Mensch, wenn es auch immer schwerer wurde, sich daran zu erinnern. Er betrachtete die Leute um sich herum. Manche starrten ihn an. Er konnte nur vermuten, wie er jetzt aussah. Aber woran hatte er gerade gedacht ...?
    Es fiel ihm wieder ein. Das Mädchen. Das Mädchen aus dem Frauenpalast. Er roch sie nicht, das war nur der Wahnsinn, der aus ihm sprach, aber er hatte gesehen, wie die Soldaten sie ergriffen und zu einem Boot geschleppt hatten. Er wusste, wohin sie sie brachten — zum
Autarchen,
dem herrlichen, mächtigen, tückischen, mörderischen Autarchen...
    Es war wichtig, die Wahrheit festzuhalten und gegen den Wahnsinn zu verteidigen. Wenn Vo die Kontrolle verlor, das wusste er, würde er tatsächlich ein Tier sein — ein totes Tier, so tot und vergessen wie irgendein Köter, den man am Straßenrand verwesen ließ. Aber es gab Momente, in denen er wirklich das Gefühl hatte, das Mädchen riechen zu können, ganz gleich über welche Entfernung — er sah förmlich die Duftschleppe, die sie hinter sich herzog, sah sie in der Luft wehen wie Spinnweben, in langsamer Auflösung zwar, aber doch haltbar genug, um sich um ihn zu legen wie Nebel, ihn zu führen ...
    Er riss sich gerade noch zusammen, ehe er wie ein Wolf zu

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