Das Herz
sie ihn nur anstarrte, und beeilte sich, selbst in den Sattel zu kommen; im Gegensatz zum Prinzen nahm sie jedoch die Unterstützung des Reitknechts dankbar an. »Die Späher können im Reiten berichten«, erklärte Eneas, während er seinen Helm aufsetzte. »Das möchte ich mit eigenen Augen sehen?«
Sie fanden eine Stelle, wo sie über die Hügelausläufer hinweg das riesige xixische Lager am Buchtufer und in Südmarkstadt selbst sehen konnten: Die runden Zelte schienen so unzählbar wie Sandkörner. Die Männer des Autarchen kämpften, so viel war klar, aber mit wem, war nicht so leicht auszumachen. Nachdem er eine Weile selbst hindurchgeschaut hatte, reichte Eneas sein silbernes Spähglas Briony. Sie musste ein Weilchen an dem Rohr herumziehen und -schieben, dann plötzlich, als wäre sie so schnell wie ein Falke dort hinabgestoßen, konnte sie das Lager und das Kampfgeschehen deutlich erkennen.
»Barmherzige Zoria — manche von denen sind Riesen?« Es war wie ein Traum, alles ganz klar zu sehen, aber nichts zu hören. »Der da — das ist ein Monster, ich schwör's! Ist das eine Teufelei des Autarchen, die sich gegen ihn gekehrt hat?«
»Ich glaube, das sind Qar«, sagte Eneas. »Dass sie hier in Südmark sind, wussten wir ja. Die, die den Kaufmannszug angegriffen haben, müssen schließlich irgendwo hergekommen sein.«
»Aber woher? Ich dachte, sie hätten den Rückzug angetreten.« Briony war einfach nur verblüfft über dieses unerwartete Zwielichtlerheer mit Schilden und Rüstungen in hundert verschiedenen Farben und Kämpfern fast ebenso vielfältiger Gestalt. Sie schwenkte das Spähglas dorthin, wo der Kampf am dichtesten war, zum Rand des Lagers nahe den Felsklippen, die bis fast an die Brennsbucht hinabreichten. »Sie kommen aus den Felsen«, verkündete sie. »Nein, aus den Höhlen! Die Zwielichtler kommen aus den Höhlen und versuchen, ins Lager des Autarchen einzudringen. Einige haben es schon geschafft, aber die meisten werden an den Palisaden aufgehalten.« Sie verzog das Gesicht und gab Eneas das Spähglas zurück. »Der Kampf ist schrecklich. Sie sterben zu Dutzenden am Zaun des Lagers.«
In den Augen des Prinzen war jetzt ein seltsames Glänzen, das sie noch nie gesehen hatte. »Dann sollten wir ihnen wohl ein wenig helfen. Ich nehme an, es ist sinnlos, Euch zu bitten hierzubleiben?«
Sie lachte trotz der jähen Angst, die ihr den Atem nahm, nickte vehement und sagte, als sie wieder sprechen konnte: »Vollkommen sinnlos!«
Eneas runzelte die Stirn. »Ihr müsst es wissen. Dann kommt. Mögen die Götter über uns alle wachen. Wir haben einmal die falsche Seite gewählt. Nicht wieder!«
Auf das Zeichen des Prinzen hin blies das Horn zum Sammeln. Die Tempelhunde, die abgesessen waren, stiegen schnell wieder in den Sattel; die, die tranken, nahmen noch einen letzten Schluck und wischten sich den Mund. Die Pferde stampften und tänzelten, als Eneas sich in den Steigbügeln aufstellte.
»Anglin kam, um meine Vorfahren zu retten!«, rief er mit erhobenem Schwert. »Jetzt werden wir etwas von dieser Blutschuld zurückzahlen! Treibt diese südländischen Hunde ins Meer!« Er winkte die Männer mit sich, sprengte ein Stück den Kamm entlang und folgte dann den Spähern bergab in Richtung Lager. »Für Syan und Südmark!«, rief er. »Für König Enander und König Olin!«
Briony blieb nur Zeit für ein sehr kurzes Gebet.
Barmherzige Zoria, bring uns heil durch diese Gefahr ...
Dann galoppierte auch sie; sie alle sprengten die trockenen Hügel hinab, und es klang wie ein Sommergewitter.
Die Xixier waren arrogant gewesen, befand Barrick: Sie hatten nicht wirklich mit einem Angriff gerechnet, schon gar nicht mit einem Angriff aus ebenjenen Tiefen, wo der Autarch sein eigenes riesiges Heer wie einen Hammer benutzte, um den unterlegenen Feind immer weiter zurückzutreiben. Seine Heerführer hatten Fehler gemacht und waren verschwenderisch mit dem Blut ihrer Männer umgegangen, weil sie darauf vertrauten, genügend Soldaten zu haben, um die meisten Fehler ausbügeln zu können ... und damit hatten sie recht. Die Xixier waren grimmige, unbeugsame Kämpfer und den Zwielichtlern an Zahl immer noch weit überlegen. Die Qar waren im ersten Ansturm nicht bis an die Oberfläche vorgedrungen, und jetzt sah es allmählich so aus, als würden sie sie nie erreichen.
Saqris Truppen hatten es geschafft, durch den vordersten Wall von Nackten zu brechen — jene mit Speeren und Schilden bewehrten Fußsoldaten,
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