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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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antworten zu können, ohne die Stimme zu heben. Der kleine Mann beobachtete ihn; vermutlich amüsierte ihn die Art und Weise, wie diese monströs große und ungeschlachte Kreatur den Bauch auf die Ziegel presste, als könnte sie ein verirrter Windstoß hochheben und davonwehen.
    Der Dachling war ein Dachrinnenkundschafter, aber keiner, den Chert kannte. Ihm hingegen schien der Name des Funderlings ein Begriff zu sein. Nachdem er sich Cherts Ausführungen angehört hatte, nickte er nur, sagte: »Da müsst Ihr warten«, und verschwand dann die jenseitige Dachschräge hinab.
    Chert seufzte, machte es sich bequem und nahm das Vesper aus Brot und Pilzen heraus, das er eingepackt hatte.
Da müsst Ihr warten,
äffte er im Stillen die gelassenen Worte des Männleins nach.
Muss sein, Blauquarz. Wir wollen uns doch schließlich nicht beeilen, nur weil das Ende der Welt da ist, oder?

33

Speerspitze
    »Sobald der Gott schnarchte, stahl der Waisenknabe ein kleines Stück von der Sonne, aber es war zu heiß, als dass er es mit seinen Sterblichenhänden halten konnte ... Er steckte es in eine der Eierschalen von Zmeos' Teller ... und floh aus der mächtigen Feste.«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    »Wir können die Zeit nicht damit vergeuden, die Truppen des Autarchen von hinten anzugreifen«, erklärte Yasammez. Ihre Gedanken waren so gewichtig, hart und kalt wie Metall. »Es eilt. Dies ist keine normale Kriegssituation. Wir haben ihre Versorgungskette bereits unterbrochen, aber das kümmert den Südländerherrscher nicht.«
    »Dann ist es unsere einzige Hoffnung, weiter in die Tiefe vorzudringen, wie wir es geplant haben.« Saqri spreizte die Finger. »Mit etwas Glück erreichen wir vielleicht vor ihnen die Letzte Stunde des Ahnherrn.«
    »Wo wir trotzdem eine vielfache Übermacht gegen uns hätten«, warf Barrick ein.
    Yasammez würdigte ihn kaum eines Blicks. »Wir fürchten keine Sterblichen, gleich welcher Zahl.«
    »Trotzdem ist Schnelligkeit jetzt unsere einzige Chance«, sagte Saqri. »Unser Abstiegsweg zwingt uns, die Hauptabstiegsroute der Xixier unterhalb der Höhle der Winde zu kreuzen. Wenn die Verteidiger die Südländer weiter unten immer noch aufhalten, wird dieser Hauptgang voll von xixischen Soldaten sein, und wir werden uns an der Kreuzung durch sie hindurchkämpfen müssen. Es ist eine breite Stelle, alles andere als ideal für unsere Zwecke, aber wenn wir dort durchkommen, können wir zum großen Schlund selbst vordringen, wo wir sehr viel schneller hinabgelangen.«
    »Wir werden durchstoßen, keine Sorge«, sagte Yasammez. »Wir werden so hart sein wie eine Speerspitze. Das Feuer des Buchs hat uns gehärtet.«
    Zwar füllte die Feuerblume seinen Kopf mit Erinnerungen an das
Buch des Feuers in der Leere,
mit Gedanken über das Immer-Feuer, dem es seine Entstehung verdankte, und tausend anderen Dingen, die den Qar so teuer waren wie ihr eigener Name, aber dennoch musste Barrick an seinen alten Lehrer Shaso dan-Heza denken. Yasammez' Worte erinnerten ihn an etwas, das ihm Shaso immer wieder eingeschärft hatte.
    »Eine Armee ist ein Werkzeug, Junge. Und eine gute Armee ist ein äußerst vielseitiges Werkzeug. Sie kann dick und massiv sein, wo es erforderlich ist, so schwer zu durchbrechen wie ein gut gefertigter Panzer Aber sie kann sich auch so scharf und spitz machen wie die geschliffene Spitze eines Speers, um durch eine andere Armee hindurchzustoßen, so wie der Speer auch den stärksten Brustpanzer durchstößt. Wenn man die Kraft konzentriert, ist sie da, wo sie wirkt, größer ...«
    Es war verrückt, dass ihn aus Yasammez' eisigen, alterslosen Augen Shaso ansah, aber das änderte nichts daran, dass es so war. Beide, der Krieger und die Kriegerin, würden lieber sterben, als etwas zu tun, das sie für ehrlos hielten, aber beide konnten Fehler machen, weil sie ihre persönliche Wahrheit für die einzig gültige hielten.
    Was hieß, dass Shaso wahrscheinlich unschuldig an Kendricks Tod war und er, Barrick, unrecht gehabt hatte. Es war doch so gewesen, wie Briony gesagt hatte. Er wünschte jetzt erstmals, er hätte mit seiner Schwester gesprochen, richtig gesprochen. Ihn überkam etwas, das er zunächst nicht identifizieren konnte, ein ziehender Schmerz, so jäh und stark, dass ihm die Luft wegblieb.
    Heimweh.
Barrick war verblüfft. Jetzt? Nachdem er sich so verändert hatte? Das hier war nicht seine Heimat, war es nie wirklich gewesen, so viel stand

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