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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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selbst Mönche, die bisher nur Verwundete versorgt hatten. Drei frisch an die Front aufgerückte Metamorphosebrüder fingen durch eine Öllampe Feuer, die die Männer des Autarchen über den Rand des Schutzwalls gestoßen hatten. Als sie schreiend an ihren Kameraden vorbeirannten, fühlte Vansen, wie sich Verzweiflung gleich einem tödlichen Gift unter den Funderlingskämpfern verbreitete und ihnen die Kraft raubte; er wusste, dass sie jeden Moment aufgeben und auf die große Galerie fliehen konnten und dann ihre gesamte Streitmacht überwältigt und abgeschlachtet würde. Vansen beugte sich vor, packte eine der vorbeilaufenden menschlichen Fackeln, ignorierte den brennenden Schmerz in seiner Hand, warf sich auf den schreienden Mönch und tat sein Bestes, die Flammen am Boden und mit seinem eigenen Körper zu ersticken. Als er sich wieder aufrichtete, sah er, dass ihn die anderen Funderlinge wie gelähmt anstarrten.
    »Hört auf zu glotzen!«, herrschte er sie an. »Helft diesen Männern! Ruft die Heiler. Und verteidigt eure Barrikaden!«
    Solchermaßen aufgerüttelt, wehrten sich die Funderlinge mit neuer Kraft. Andere fingen die brennenden Mönche ein, rangen sie zu Boden, um die Flammen zu löschen, und schleppten sie dann in den hinteren Teil der Halle. Als die Funderlinge etwas später doch nachgeben und sich hinter die dritte Barrikade zurückziehen mussten, geschah dies diszipliniert und so, wie Vansen es befahl.
    Die dritte Barrikade konnten sie nicht lange halten und auch die kleinere vierte nicht. Die Xixier drangen immer weiter in die riesige Höhlenkammer vor, und dadurch, dass sie die Steine zwischen den Säulen beseitigten, vermochten sie immer mehr Soldaten gegen die Stellungen der Funderlinge zu werfen. Außerdem konnten die Südländer jetzt Bogenschützen einsetzen, und wenn die Pfeile auch unter den Funderlingen, die sich unmittelbar hinter den Barrikaden verschanzten, wenig ausrichteten, sah es für jene im rückwärtigen Teil der Halle ganz anders aus. Der junge Kalomel, Zinnobers Sohn, wurde in den Rücken getroffen, als er die Trage mit seinem Vater an einen sichereren Ort zu ziehen versuchte. Während die Mönche den verwundeten Jungen wegtrugen, konnten Vansen und die anderen dem kranken und beunruhigten Zinnober nur immer wieder versichern, dass sein Sohn schon wieder auf die Beine kommen würde, obwohl es keiner von ihnen ernsthaft glaubte.
    Ströme von Blut machten den uralten Steinboden so glitschig und tückisch wie Eis. Ein weiteres halbes Dutzend Funderlinge starb bei der Verteidigung des vierten Walls — hauptsächlich Zunftwächter, die einzig erfahrenen Kämpfer, die Vansen hatte. Die kleinen Männer schlugen sich tapfer, und das Terrain war zu ihrem Vorteil, doch die Offiziere des Autarchen verfügten über unerschöpfliche Mengen von Soldaten, die nicht nur ausgebildet und wohlausgerüstet, sondern obendrein auch noch ausgeruht waren.
    Als der unheilvolle Nachmittag in den Abend überging, überdachte Vansen das immer aussichtslosere Kräfteverhältnis. Er hatte von Anfang an gewusst, dass sie sich nicht mehr erhoffen konnten, als das Vordringen der Xixier etwas zu verlangsamen, doch jetzt war klar, dass sie schon ein Wunder brauchten, um auch nur noch eine Stunde auszuhalten. Wenn es so weiterging, würden er und seine Funderlinge lange vor Mitternacht bis auf den letzten Mann tot sein.
    »Rückzug!«, rief er. »Hinter die letzte Barrikade!«
    Mit einigen Zunftwächtern deckte er den Rückzug. Die Funderlinge stolperten mit bleichen, gehetzten Gesichtern an ihm vorbei. Gerüstbauer, Steinhauer, Steinmetze, keiner von ihnen war je Soldat gewesen, aber hier standen sie und gaben alles, um ihr kleines Stück des Landes zu verteidigen, und doch wurde es ihnen genommen. Ferras Vansen hatte Mühe, Zorn und Trauer so weit im Zaum zu halten, dass sie ihn nicht überwältigten.
    Als Vansen und die Zunftwächter sich zu ihren Kameraden zurückfallen ließen, traf Schlegel Jaspis ein xixischer Pfeil von hinten ins Bein. Er stolperte und blieb hinter den übrigen zurück. Augenblicklich erkannte einer der xixischen Soldaten seine Chance: Der Südländer sprang ins Niemandsland zwischen den beiden Wällen hinaus, trieb Schlegel Jaspis seinen Speer so mühelos in den Rücken, als spießte er einen Fisch aus einem austrocknenden Teich, und zog sich dann mit einem Triumphschrei wieder zurück, während Jaspis einen Schritt machte und zu Boden sackte.
    Ehe er auch nur einen Gedanken fassen

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