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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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konnte, kletterte Vansen über den Wall zurück und rannte zu seinem gefallenen Kameraden. Den Abwehrstoß des überraschten Xixiers mit Verachtung strafend, riss er ihm den Speer mit solcher Kraft aus der Hand, dass der Mann hilflos auf ihn zutaumelte. Vansen schwang seine Zunftwächteraxt und zerschmetterte ihm Helm und Schädel.
    Weitere Xixier kamen jetzt auf ihn zu und duckten sich unter den Steinen weg, die Vansens Männer von der letzten Barrikade aus warfen. Vansen hob Jaspis hoch, dessen kleiner, gedrungener Körper überraschend schwer und außerdem glitschig von Blut war, und rannte zur Barrikade. Er übergab den Wachführer den ausgestreckten Armen und zog sich dann selbst in die einstweilige Sicherheit hinüber, während um ihn herum ein Hagel von Pfeilen auf die Steine prasselte.
    Er beugte sich zu dem Verletzten hinab, doch es war zu spät: Jaspis atmete nicht mehr. Seine Augen waren offen, aber blicklos. Vansen spürte, wie kalter Hass alles in ihm zusammenpresste.
    »Mögen die Alten der Erde Euch segnen, Schlegel«, sagte er leise.
    Der Angriff der Xixier war für den Moment eingestellt, aber er wusste, sie würden bald wieder kommen. Vansen wandte sich an die Funderlinge, in deren Augen nackte Angst und verzweifelte Erschöpfung standen. Der letzte Wall in diesem engsten Teil der Höhle war schmaler und höher als die anderen, und in ihrem Rücken befand sich der einzige Ausgang aus der Halle. Er schätzte rasch ab, wie viele Männer ihm geblieben waren — vielleicht zwei-, dreihundert Kampffähige, mehr nicht, und selbst von diesen waren die meisten verwundet. Auch Vansen war über und über mit Blut verschmiert, und ein Gutteil davon war sein eigenes. Er erwog, was er seinen Leuten sagen konnte, verwarf aber alles wieder.
    »Kopf hoch, Männer«, sagte er schließlich. »Ihr könnt stolz auf euch sein. Uns bleibt heute nichts mehr zu tun, als tapfer in den Tod zu gehen. Schon jetzt haben wir dafür gesorgt, dass diese Südländer, die doppelt so groß und zehnmal so viele sind wie ihr, den Namen der Funderlinge oder der Offenbarungshalle nie wieder aussprechen können, ohne mit Schmerz ihrer Verluste zu gedenken und mit Staunen derjenigen, die sie verursacht haben.«
    Ein Raunen ging durch die Reihen der zusammengekauerten Männer, und es waren sogar ein, zwei zittrige Hochrufe zu hören.
    »Genug geredet«, sagte Vansen. »Zinnober ist noch hier — er ist nur ein wenig unpässlich, aber er lebt. Und Malachit Kupfer? Er steht hier in seinem besten Anzug — stimmt's, Meister Kupfer?«
    Der Funderling räusperte sich. »Anwesend, in der Tat, Hauptmann.«
    »Und Wachführer Jaspis wird mit all den anderen Freunden, die uns vorausgegangen sind, vor Nozh-las Tor stehen und darauf blicken, was ihr in den nächsten Stunden tut. Also, enttäuscht sie nicht! Auf, Männer, auf!«
    Während sie sich mühsam aufrappelten, erhob Vansen die Stimme, damit ihn auch die Hintersten hören konnten. »Schließt die Reihen, Schulter an Schulter, und erhebt die Speere, Männer. Wer noch einen Schild hat, halte ihn so, dass er sich mit dem des Nebenmanns überlappt. Weicht nicht, außer in Richtung Ausgang ... und was immer ihr tut,
haltet die Reihe geschlossen, bis ich zum Rückzug rufe.
Es hängt mehr davon ab als nur unser Leben.«
    »Achtung, der Wall!«, rief jemand. Die Xixier hatten einen Rammbock herbeigeschafft und versuchten bereits, die Barrikade einzureißen. Augenblicklich waren die Funderlinge auf den Beinen und eilten an ihre Plätze, als hätte es den Moment der Ruhe nie gegeben. Vansen sah ein Gesicht über dem Wall auftauchen und schwang seine Wächteraxt. Der xixische Soldat ließ sich unversehrt zurückfallen und suchte nach einer Stelle, an der die Verteidiger nicht so groß waren. Ab da konnte Vansen nur noch versuchen, dem Tod zu entgehen.
    Irgendetwas Schlimmes war mit Ferras Vansens linkem Arm geschehen; er konnte ihn nicht mehr über Schulterhöhe heben. Auch sein Bein hatte etwas abbekommen. Er konnte noch darauf stehen, aber sobald er es belasten wollte, spürte er, wie schwach es war, und ihm schoss ein Schmerz ins Knie, als triebe jemand eine heiße Nadel hinein.
    Der Rammbock der Xixier hatte an mehreren Stellen Löcher in ihre letzte Barrikade geschlagen; dahinter sah Vansen menschliche Gestalten und flackernden Fackelschein. Jetzt wankte auch noch ein anderer Teil des Walls: Weitere Steine lockerten sich und fielen herab. Einer zertrümmerte einem bereits verletzten Mann das Bein.

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