Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
zu verstecken — manche sind sehr tief.« Der Gedanke rief in ihrem Kopf ein sonderbares Echo hervor, aber sie wischte es beiseite. »Ich verwette mein Leben, dass Hendon sich irgendwo dort drinnen mit meinem Halbbruder versteckt.« Sie wandte sich an einen der verbliebenen Fußsoldaten. »Lauft zurück zur Burg. Sagt Prinz Eneas, wohin wir gehen — bittet ihn, weitere Männer zu schicken.«
    »Wohin wir gehen?« Stephanas starrte immer noch ins unheimliche Dunkel des Friedhofs. »Warum warten wir nicht auf den Prinzen?«
    »Weil das Stunden dauern könnte. Weil wir uns irren könnten, und wenn Hendon nicht hier ist, müssen wir's wissen, damit wir anderswo weitersuchen können. Versteht Ihr denn nicht — er hat ein Mitglied meiner Familie als Geisel!« Sie wandte sich wieder an den eben ernannten Boten: »Geht! Schnell!«
    Er rannte los. Briony wandte sich an ihre letzten beiden Begleiter. »Haltet Euch nah bei mir. Ich kenne mich hier besser aus als Ihr.«
    »Wir brauchen Fackeln«, sagte Stephanas.
    »Das ist das Letzte, was wir brauchen«, erklärte sie. »Licht würde uns verraten! Und leise müssen wir auch sein. Wisst Ihr denn gar nichts über Hendon Tolly? Er ist wie eine Schlange — er wird immer zubeißen, wenn er irgend kann.«
    Als sie das alte, schief in den Angeln hängende Tor erreichten, legte sie mahnend den Finger auf die Lippen und führte dann die widerstrebenden Soldaten hinein ins Reich der Toten.

35

Sein Täubchen
    »Als er die großen Marken durchquerte, wurde die Eierschale so heiß, dass sie zu Asche zerfiel ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Es war das letzte Gesprächsthema, mit dem Ferras Vansen gerechnet hätte.
    »Blast Ihr Trübsal, Hauptmann?«, fragte ihn jemand, als er gerade das Blatt seiner Axt schärfte. »Habt wohl daheim ein Täubchen, das Ihr gern noch mal sehen würdet?« Es war Schlegel Jaspis, gutgelaunt, obwohl sein Gesicht wie ein verkohlter Braten aussah. Seine rechte Hand Dolomit hockte neben ihm.
    »Ein was? Ein Täubchen?« Vansen musste lachen. Die Hoffnungslosigkeit seiner Wahl an jener Front spiegelte seine Chancen, in diesem Krieg auf der Siegerseite zu enden. Er war schon so lange der Narr der Götter, dass er sich kaum noch an eine Zeit erinnern konnte, da seine aussichtslose Liebe noch nicht wie eine Gewitterwolke über ihm gehangen hatte.
    »Einen Schatz, Hauptmann«, sagte Jaspis leicht beleidigt. »Ihr wisst schon, was ich meine.«
    Wenn ich überlebe, werde ich es ihr sagen,
beschloss Vansen plötzlich.
Ich werde Südmark verlassen müssen — falls sie mich nicht vorher für meine Anmaßung köpfen. Aber das ist es mir wert. Ich werde dann leer sein, hohl und bereit, etwas anderes aufzunehmen. Oder zumindest bereit, hinfort ein leeres Leben zu führen.
»Da gibt's nicht viel zu erzählen«, sagte er laut. »Wie spät ist es?«
    »Der Zeitmessermönch sagt, ungefähr eine Stunde bis Mittag«, informierte ihn Jaspis.
    »Aha.« Vansen nickte. »Der Mittsommertag ist also noch jung.« Das war eine deprimierende Nachricht, da sie die Xixier bis nach Mitternacht aufhalten mussten. »Wo wir's gerade von den Damen haben, wie sieht es bei Euch aus, Freund Jaspis? So ein Prachtkerl wie Ihr, ein Wachführer — auf den muss doch jemand warten.«
    Schlegel Jaspis verzog das Gesicht. »Eine Ehefrau. Zählt das?« Dolomit grinste. »Dafür würde dir deine Kiesel die Eier abschneiden, Schlegel.«
    »Und Ihr, Dolomit?«, ergriff Vansen die Gelegenheit, die Männer von dem, was vor ihnen lag, abzulenken. »Habt Ihr ein Täubchen, wie Jaspis es nennt?«
    Der kleine Mann runzelte die Stirn. »Ich sag's ehrlich, Hauptmann, von den Mädels aus der Stadt versteht mich keins. Die glauben nicht, dass ein Mann wie ich mehr im Kopf hat, als anderen den Schädel einzuschlagen. Dabei will ich eigentlich ein Wirtshaus aufmachen. Ein paar Kupferstücke zurücklegen, dann auf den nächsten Zunftmarkt gehen, wenn's wieder einen gibt, und mir ein Mädel suchen, das noch keine vorgefasste Meinung über mich hat. Vielleicht eine aus Westkliff. Die sind nicht so hübsch, die Funderlingsmädels aus Brenland, aber vernünftig, hab ich gehört ...«
    Jaspis und Dolomit gingen wieder zu ihren Männern, als Bruder Sinter zurückkehrte und sich neben Vansen hockte.
    »Ich habe Angst, Hauptmann«, gestand der junge Mönch. »Ich dachte, ich würde mich geehrt, sogar erhöht fühlen, wenn mich die Alten der Erde rufen, aber ich habe

Weitere Kostenlose Bücher