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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hochgewachsener Krieger in einer grauen Qar-Rüstung kam über die Galerie auf ihn zu. »Ferras Vansen«, sagte der Ankömmling, als er sich neben ihn hockte. »Bei den Göttern, ich hätte nie geglaubt, dass ich Euch noch einmal wiedersehen würde. Nie und nimmer.« Der Fremde nahm seinen Helm ab, und zunächst konnte Ferras Vansen nur verwirrt auf die rote Haarmähne starren.
    »Barrick?«, brachte er schließlich hervor. »Prinz Barrick? Seid Ihr's wirklich?«
    Der Prinz sah ihn kalt und ernst an. Er wirkte zehn Jahre älter. »Ja, ich bin es, Hauptmann. Was ist mit Euren Wunden? Werdet Ihr überleben?«
    »Ich ... glaube schon ...« Vansen schüttelte verwundert den Kopf. »Aber wie kommt Ihr hierher? Wie seid Ihr den Schattenlanden entronnen?«
    Eine menschliche Regung, ein leichtes Lächeln, spielte um Barrick Eddons Lippen. »Wir haben sicher beide viel zu erzählen ...«, setzte er an, als eine andere Qar-Frau herbeieilte, eine, die Vansen kannte: Yasammez' grauhäutige Ratgeberin Aesi'uah.
    »Hauptmann Vansen«, sagte sie. »Wie schön, Euch lebend anzutreffen.« Sie wandte sich an Barrick. »Saqri sagt, wir dürfen nicht säumen. Sie befürchtet ein Täuschungsmanöver. Sie sind bereits weg.«
    »Was?« Vansen kämpfte sich hoch. Er hasste dieses Gefühl der Schwäche. »Wer ist weg?«
    »Die Südländer«, sagte Aesi'uah. »Dieser letzte Angriff der Steinschluckerinnen sollte Euch und Eure Männer vernichten, aber der Autarch wollte euren Tod nicht abwarten. Drinnen im Labyrinth gibt es lange Treppen, die weit hinab und dann unterm Meer der Tiefe hindurch zu der Insel führen, wo Götter kämpften und starben — dem Ort, wo sich der Leuchtende Mann befindet. Während wir im Kampf standen, hat der Autarch mit seinen Priestern und Soldaten heimlich diesen Weg genommen. Sie sind uns entschlüpft. Trotz Eurer Tapferkeit und unserer Eile, Hauptmann Vansen — wir haben verloren.«

36

Das Messer
    »Der arme Waisenknabe musste das Stück Sonne in Eichenblätter wickeln, aber schließlich versengte es auch diese, und ihm blieb nichts anderes übrig, als es in seinen empfindlichen Händen zu tragen.«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    »Ein hübsches Ding, nicht wahr?« Hendon Tolly hob das Ding, von, dem er sprach, höher, damit Kettelsmit es besser sehen konnte, und Kettelsmit sah praktisch nichts anderes mehr: Die Klinge schwebte so beängstigend dicht vor seinem Gesicht, dass er fast schon schielte. Das Messer war so lang wie Kettelsmits Unterarm, der schlanke Jadegriff mit eingelegten goldenen Symbolen verziert, die noch schlankere Klinge ebenfalls. »Yisti-Arbeit, sagte man mir, aus dem Süden Xands«, erklärte Tolly. »Ein
Geistmacher,
so nennen sie's. Wir werden ja sehen, ob er auch ein Gottmacher ist.« Er lachte, aber es wirkte rein mechanisch. Tolly war blass und schwitzte, als ob ihn die Ereignisse der letzten Tage arg mitgenommen hätten, wenn er es auch mit seiner üblichen lässigen Art überspielte. »Denk doch nur, Dichter! Tausend Jahre oder länger hat er in einem hierosolinischen Grab gelegen, und nach dieser ganzen langen Zeit wirst du der Erste sein, der ihn wieder führt. Das ist doch mal einen Vers wert!«
    So nah war die Klinge, dass Matty Kettelsmit schon dachte, Hendon Tolly wolle sie vielleicht entgegen seinen Versprechungen an ihm ausprobieren. Kettelsmit sah die Soldaten an, drei kampferprobte Männer in Gronefeld-Farben, Tollys handverlesene Leibwachen, aber sie wichen seinem Blick aus. Der Wahnsinn des Reichshüters war so offensichtlich wie ein riesiger Bluterguss auf blasser Haut. Niemand wollte das Risiko eingehen, Tollys Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    »W-was soll ich tun ...?« Kettelsmit wollte das Messer nicht einmal berühren. Mit dem grünen Griff und der Grabpatina sah es giftig aus.
    »Mitkommen.« Tolly ließ das Messer sinken und zeigte auf die Stufen, die in die Eddon-Gruft hinabführten. Die Sonne war hinter den Hügeln versunken, und der Eingang schien ein Portal zur Leere selbst, jenem schieren Nichts, das vor den Göttern gewesen war. »Wir haben zu tun, Idiot, und bis Mitternacht sind es nur noch Stunden. Wenn wir diesem braunen Hund Sulepis die Beute wegschnappen wollen, können wir nicht länger warten.« Er wandte sich an einen seiner Leibwächter. »Wenn Dell kommt, schickt ihn sofort zu mir runter.«
    Der Mann nickte. Tolly wandte sich wieder an Kettelsmit. »Los jetzt. Bring das Kind mit.

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