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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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abgetan, aber er hatte die grausame Macht gefühlt, die in Tollys Spiegel lauerte: Wie ein hungriger Wolf hatte sie sich an ihn herangepirscht. Er wollte das auf gar keinen Fall noch einmal fühlen, und er wollte mit Sicherheit keinem Kind, ob Prinz oder nicht, etwas zuleide tun. Aber was konnte er sonst tun? Fliehen? Selbst wenn er Tolly entkäme — gleich dort oben waren die Wachen.
    Also sich vielleicht lieber von Tolly töten lassen. Wenn sie kämpften, würde es wenigstens ein schneller Tod sein. Er könnte in dem Bewusstsein vor die Götter treten, etwas Unverzeihliches nicht getan zu haben.
    Er drückte den Säugling an sich, worauf dieser prompt wieder zu schreien begann.
    »Herr«, hob Kettelsmit an, »ich kann nicht ... ich will nicht ...«. Doch noch während diese Worte — zugegeben: nicht sehr laut — aus seinem Mund kamen, hob Tolly gebieterisch die Hand.
    »Still. Hörst du das?« Er legte horchend den Kopf schief. »Da. Dieser Idiot von Dell ist endlich eingetroffen. Das wird dir gefallen, Dichter. Eine kleine Überraschung, eigens für dich.«
    »F-für mich ...?« Aber jetzt hörte er es auch, Gepolter in der anderen Gruftkammer, Stiefel auf Steinboden, eine Frauenstimme, protestierend, flehend ...
    O Götter, hat das Ungeheuer Königin Anissa herbringen lassen, damit sie mit ansieht, was mit ihrem Kind geschieht? Kannte Tollys Grausamkeit denn gar keine Grenzen?
    Die Soldaten schleiften die sich sträubende Frau herein. Als Kettelsmit sah, wer es war, drohten seine Knie nachzugeben.
    »Ah, da ist ja die Letzte in unserer Runde«, sagte Tolly fröhlich. »Elan, wie habe ich dich vermisst! Du grausames, flatterhaftes Mädchen, du — mir weiszumachen, du wärst davongelaufen!«
    Elan M'Cory stellte ihre Gegenwehr ein. »Ihr seid ein Ungeheuer, Hendon — ein Kobold! Ein Dämon!«
    Kettelsmit konnte nur fassungslos hinstarren. Die Welt schien über ihm einzustürzen.
    »Unsinn, meine Liebe.« Hendon war blitzschnell neben ihr und presste ihr, während die Wachen sie an den Armen festhielten, die Klinge des Jadegriff-Dolchs an die Wange. Er drückte ein wenig zu fest zu, und ein leuchtendroter Faden erschien. »Unser Freund, der Dichter, wird alles tun, was ich sage, weil er doch sicher nicht will, dass dir auch nur ein Haar auf deinem hübschen Köpfchen gekrümmt wird. Hat er nicht schon die größten Mühen auf sich genommen, um dich vor mir zu verstecken?«
    Kettelsmit war, als hätte sich sein Inneres in Sand und kaltes Wasser verwandelt. »Götter, steht uns bei ... Wie habt Ihr sie gefunden?«
    »Ach, die Götter werden euch bald genug beistehen, keine Bange.« Hendon Tollys Stimmung hob sich zusehends. »Ich habe dich jedes Mal verfolgen lassen, wenn du aus der Burg gegangen bist, Dichterling. Du hast dich wahrscheinlich für ungemein schlau gehalten, mit deinen komplizierten Umwegen, aber geschafft hast du's damit nur, meine Soldaten müde und wütend zu machen — getäuscht hast du keinen. Hast du im Ernst geglaubt, du könntest eine Edelfrau aus Gronefeld in der armseligen Bude deiner Schwester verstecken?«
    Kettelsmit sah Elan an. »Es tut mir leid. Ich habe nicht geahnt ...«
    »Genug.« Tolly schnupperte kurz an ihrem Haar und ihrem Gesicht wie eine Katze an einem Stück Aas. »Ah, ich hoffe, er tut, was ich sage, Liebling«, flüsterte er so laut, dass Kettelsmit es verstehen musste. »Ich bete darum, dir nichts antun zu müssen. Ich wollte dich wiederhaben, weißt du? Es hat mir gefehlt, blaue Flecken auf deiner weißen Haut zu hinterlassen, und es hat mir nicht minder gefehlt, dich leiden zu hören. Es ist wie eine Krankheit, dieses Verlangen ...«
    »Tut nicht, was er sagt, Matty!«, rief Elan Kettelsmit zu. »Ich war schon tot, als wir beide uns begegnet sind — ich war ein Leichnam, seit er mich das erste Mal berührt hatte ...!
    »Aber so fühllos ist unser Dichter nicht«, sagte Tolly. »Er wird tun, wie ihm befohlen. Er wird mir anstelle des dummen, alten Okros helfen, das Ritual zu vollziehen. Er wird das Kind opfern.« Tolly trat jetzt zu Kettelsmit und tippte auf die Stirn des Königskindes, wo sein staubiger weißer Finger einen Fleck hinterließ. »Denn wenn er's nicht tut, wird er, ehe er stirbt, mit ansehen, wie ich seiner geliebten Elan die Haut abziehe.«

    Sie hörte etwas im Dunkeln — einem Dunkel, das selbst für ihre Funderlingsaugen zu dicht war — und setzte sich auf.
    »Die Schildkröte ...«,
flüsterte eine Stimme.
»Dann der Knoten . . . und die Eule

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