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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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stand wacklig auf. Jeder Zoll ihres Körpers schmerzte. »Wo der Autarch ist. Und mein Vater.« Sie bückte sich nach der Fackel. »Eneas wird sich um den Rest kümmern. Könnt Ihr mich führen?«
    »Euch führen?« Der Funderling stand ebenfalls auf und starrte sie an, als spräche sie plötzlich eine andere Sprache. »Ihr wollt ... da hinunter?«
    »Ja. Mit Euch als Führer.« Sie steckte ihr Messer in die Scheide zurück. »Es sei denn, Ihr habt Besseres zu tun an diesem letzten aller Tage.«
    »Aber ... es wird Stunden dauern, bis wir unten sind. Bis dahin ist dort längst alles vorbei. Ihr könnt es niemals rechtzeitig schaffen ...« Noch etwas fiel ihm ein. »Und es gibt dort Gefahren, von denen Ihr noch gar nichts wisst, Hoheit ...!
    »Sagt niemals nie zu einer Eddon, Meister Blauquarz. Wir sind eine dickköpfige Familie.« Und ohne seine Reaktion abzuwarten, schob Briony sich an ihm vorbei und machte sich auf den Weg in die Tiefen.

39

Das sehr alte Etwas
    »Aristas nahm das Sonnenstück und warf es, die Drei Brüder preisend, in den Himmel empor, wo es hängenblieb und die nördliche Welt zu erwärmen begann. Bald schon schmolz der Schnee, vom südlichen Teil der Vuttischen Inseln bis hinunter nach Krace, und das Land erwachte wieder
zum
Leben . .«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Der Autarch und seine Soldaten hatten das Material für eine kleine Stadt in die Tiefe und auf diese seltsame Insel mitgeschleppt:
    Zelte, Bauholz, Schilf für eine ganze Flotte von Booten. Jetzt gerade war, obwohl nur ein paar hundert Schritt entfernt eine erbitterte Schlacht tobte, eine Legion von Zimmerleuten dabei, nah am Rand des silbernen Meeres eine große hölzerne Plattform zu errichten, sodass das Hämmern der Handwerker die Schreie der Sterbenden beinah übertönte.
    Am Ufer drüben blinkten überall Klingen, und Gewehre spuckten Flammen. Auf diese Entfernung konnte Qinnitan kaum erkennen, was dort geschah, aber es wirkte so blutig und verzweifelt wie die schlimmsten Szenen auf den Mauern von Hierosol. Ein Stück weiter am Strand waren die Feinde des Autarchen zwischen die angelandeten Boote vorgedrungen, und eins der kleinen Schilfgefährte war sogar wieder auf das glänzende Silber hinausgetrieben; wie gern wäre Qinnitan dieses Boot gewesen, das einfach davondriftete, weg von dem ganzen Wahnsinn.
    Das Monster von Xis selbst, der Architekt all dieser Verwirrung und Verheerung, saß in seiner goldenen Rüstung auf seiner Sänfte und kommandierte mit lauten Rufen Männer herum, die offenkundig schon so hart arbeiteten, wie sie nur konnten. Manche bluteten kaum weniger als die Soldaten im Kampf.
    »Die Kinder!«, brüllte Sulepis und stand so abrupt auf, dass die zwölf nackten Sklaven, die seine Sänfte trugen, ins Wanken kamen und Mühe hatten, sich wieder zu fangen. »Wo sind sie? Wo sind meine Gefangenen?« Einer der Nushash-Priester hüpfte gestikulierend neben der Sänfte auf und nieder, versuchte ihm offensichtlich etwas zu sagen. »Das interessiert mich nicht!«, brüllte der Autarch. »Vash! Vash, wo seid Ihr? Beim Grab meines Vaters, wo steckt Pinnimon Vash? Ist er auch verschwunden? Ich lasse ihn und den Priester in Stücke reißen!«
    Doch ehe der Oberste Minister gefunden und in Stücke gerissen werden konnte, erschien Oberpriester Panhyssir an der Spitze einer Prozession von minderen Priestern, Soldaten und Kindern. Qinnitan starrte die kleinen Gefangenen an, als sie an der Stelle vorbeitrotteten, wo sie und König Olin an einen dicken, tief im Boden versenkten Pfahl gekettet waren. Die Kinder, insgesamt vier, fünf Dutzend, sahen wie Nordländer aus. Ihre Augen waren leer und hoffnungslos, die Gesichter noch bleicher nach der wochenlangen Gefangenschaft auf den Schiffen des Autarchen. Sie fragte sich, was er mit ihnen vorhatte.
    »Schaut weg, Qinnitan«, sagte Olin. »Versteht Ihr? Ihr müsst wegschauen.«
    Aber das konnte sie nicht. Sie gierte jetzt plötzlich nach jedem Anblick, so grausig er auch sein mochte, weil sie bald gar nichts mehr sehen würde.
    »Schafft sie an ihre Plätze, Beeilung!«, befahl Sulepis den Wachen. »Und ihr da, Zimmerleute, weg von der Plattform — weg hier, alle miteinander! Das muss genügen. Die Stunde ist gleich da.«
    Die xandischen Handwerker kletterten schleunigst von der Plattform, die so zweckmäßig roh war wie ein Galgengerüst. Die Träger trugen Sulepis an die Plattform heran, bis er von der Sänfte direkt

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