Das Herz
Buchtwassern vor der Außenmauer nahe der Ostlagune herausholten. Der Skimmer schwor bei seinem Wassergott, Chaven selbst habe ihnen gesagt, wo sie tauchen müssten.
Erschrocken hatte der Arzt den glubschäugigen Mann mit einer Münze und dem Versprechen auf mehr weggeschickt, dann jedoch die ganze Angelegenheit als allzu verwirrend weggeschoben. Es hatten sich weitere Lücken in seinem Wachleben aufgetan, immer mehr. Und jetzt schleppte er diese verfluchte Kernios-Statue hier durch die Tiefen, ohne zu wissen, wohin oder warum.
Aber Chaven konnte nicht mehr zurück, so wenig, wie er aus seiner Haut heraus und ein anderer werden konnte. Zuerst der Spiegel und jetzt die Statue: Was auch immer ihn dazu gebracht hatte, sich diese Dinge anzuschaffen — es hatte ihn nur noch fester gepackt und hielt ihn jetzt so sicher in seinem Griff, dass es sich nicht einmal mehr die Mühe machte, seine Gedanken zu vernebeln. Er war ein Werkzeug, das war ihm klar. Eine Waffe. Er gehörte jemandem und konnte es nicht länger leugnen, aber er wusste nicht, wer sein Herr war.
Chaven von den Makari schleppte sich weiter hinab, durch die einsamen Höhlen unterhalb des Labyrinths, und der Lärm des fernen Kampfgeschehens wehte durch die warme, feuchte Luft an sein Ohr.
»Denk nicht, wenn du
fühlen
kannst, was passiert«,
hatte Shaso ihr immer wieder eingeschärft
»Denken kann im Kampf dein Tod sein.«
Aber sie
hatte
innegehalten, um nachzudenken, und prompt war sie jetzt so gut wie tot — so tot wie Shaso selbst. Ihr Schwert war weg, und Tolly saß ihr auf Brust und Armen, hinderte sie durch sein Gewicht daran, den langen Yisti-Dolch aus ihrem Gürtel zu ziehen. Seine Messerklinge an ihrem Hals war so kalt wie Eis. Sie spürte, wie er sein Gewicht verlagerte, um ihr die Kehle durchzuschneiden, doch in diesem Moment kam von hinter ihnen ein Geräusch. Schritte? Herabfallende Steine? Tolly sah sich nur kurz um, doch dieser Moment des Zögerns reichte der verzweifelten Briony, um eine Hand zu befreien, zur Faust zu ballen und dem Reichshüter mit Wucht in den Unterleib zu rammen.
Hendon Tolly trug keine seiner tessischen Schamkapseln mehr, bemerkte sie mit grimmiger Freude.
Er stöhnte auf und krümmte sich, wobei sich sein Gewicht gerade so weit verlagerte, dass Briony auch die andere Hand freibekam. Ehe er ihr sein Messer wieder an den Hals setzen konnte, hatte sie schon den kleineren Yisti-Dolch aus der Scheide an ihrem Unterarm gerissen und trieb ihn Tolly mit Wucht zwischen Kinn und Hals. Seine Augen weiteten sich vor Verblüffung, als er hinfasste und Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll, und während er noch ungläubig auf sie herabstarrte, stieß sie noch einmal zu, diesmal ins Auge. Hendon Tolly schrie auf und krallte sich in der Agonie an ihr fest; zusammen rollten sie auf die Wegkante zu, und sie schaffte es nicht, seine glitschigen, blutigen Hände von ihren Kleidern loszureißen. Er hätte sie mit sich ins Dunkel gezogen, doch etwas hakte sich in ihren Gürtel und hielt sie fest. Tollys Finger lösten sich; sein blindes Auge, in dem immer noch das Yisti-Messer steckte, schien sie anzusehen, und auf seinem Gesicht lag ein enttäuschter Ausdruck. Dann fiel er ins Dunkel.
»Prinzessin ... Prinzessin Briony ... lebt Ihr noch?«
Sie blickte auf den kleinen Mann, der neben ihr kauerte und sie am Gürtel festhielt. Sie musste lachen, weil alles so bizarr war. »Chert«, sagte sie. »Heilige Mittsommernacht, Ihr — Ihr habt mir das Leben gerettet.« Briony zitterte jetzt so heftig, dass sie es kaum schaffte, in die Mitte des Wegs zurückzukriechen. Wieder in sicherem Abstand vom Abgrund, brach sie keuchend und bebend zusammen, entschlossen, auf gar keinen Fall zu weinen. »Aber ich habe den Thron meiner Familie zurückgewonnen — habt Ihr's gesehen? Er ist tot. Hendon ist tot, und ich habe ihn getötet. Wie einen räudigen Hund. Was er ja war.«
Der Funderling tätschelte ihr linkisch den Rücken, sichtlich unsicher, wie man eine verwundete, zitternde Prinzessin beruhigte.
Endlich konnte Briony sich wieder aufsetzen. Die Fackel lag noch flackernd in der Nähe. Chert band einen Streifen von seinem Hemd um ihren verwundeten Arm. »Was ist da unten, Chert? Was liegt da unter unserer Familiengruft?«
Er sah sie verdutzt an. »Nun ja ... alles, Hoheit. Dieser Weg führt hinab in die tiefsten Tiefen, zu den heiligen Mysterien meines Volkes.«
»Wo mein Bruder und die Qar hinwollten.« Sie klopfte sich den Staub ab und
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