Das Herz
ein Ruf, den andere aufnahmen und weitergaben, aber die rauhe xixische Sprache verstand Vansen nicht. Ein weiterer Keulenhieb traf seinen Arm, und beinah wäre ihm die Axt entfallen. Bis er sie wieder erheben konnte, war er schon mehrere Schritte hinter Barrick zurückgeblieben, und ein halbes Dutzend Xixier schoben sich rasch zwischen sie. Als sie auf ihn losgingen, stolperte Vansen. Jemand packte seinen Arm, dann sprangen ihm zwei Mann auf den Rücken. Er konnte einem den Ellbogen so fest ins Gesicht rammen, dass er fühlte, wie etwas brach, aber seine Axt war weg, und andere Xixier zogen ihn rasch zu Boden.
Lebt wohl, Prinzessin Briony,
dachte er, als ihm die Kräfte schwanden und er endgültig überwältigt wurde.
Ich habe alles für Euren Bruder gegeben ... ich bete, dass Ihr mir verzeiht ...
Doch zu Vansens Erstaunen kam kein letzer Hieb, kein Todesstoß mit dem Speer, kein Schnitt durch die Kehle. Stattdessen zerrte man ihn, als er entwaffnet war, auf die Beine, fesselte ihm notdürftig die Hände hinterm Rücken und schleppte ihn zur Plattform des Autarchen.
Vielleicht braucht der südländische Irre ja noch mehr Blut für seine Zauberrituale ...
Barrick stand noch. Vansen sah das Knäuel von Soldaten um ihn herum, und ein paar hoffnungsvolle Augenblicke lang schien es, als könnte der Prinz sich tatsächlich bis zum Autarchen durchschlagen, doch dann verlangsamte sich sein Vordringen und kam schließlich, nur ein Dutzend Schritt von der Plattform der Autarchen, ganz zum Erliegen. Der Kampf indes hielt noch an — noch immer taumelten Männer schreiend zurück und hielten sich von Schwerthieben klaffende Gesichter oder Blut verspritzende Armstümpfe —, doch schließlich hatten die Xixier Barrick am Boden. Sein rotes Haar wippte über ihnen, als sie seine reglose Gestalt fast schon behutsam auf ihre Schultern hievten. Sie trugen ihn zur Plattform und warfen ihn auf die rohen Holzplanken, wo er blutüberströmt und bewusstlos liegenblieb. Dann wurde Vansen unsanft hinterherbefördert.
»Ah, wen haben wir denn da?«, sagte eine Stimme hoch über ihm — eine ruhige, aber dennoch schreckliche Stimme, die Vansens Sprache fast akzentfrei sprach. »Euch erkenne ich doch.«
Ferras Vansen mühte sich ab, bis er sich auf den Rücken zu drehen vermochte und den unnatürlich großen, braunhäutigen Jüngling in der goldenen Rüstung sah. Das musste der Autarch selbst sein, wurde ihm klar, aber wer hätte gedacht, dass dieses Monster so jung war?
Der Südländerkönig blickte auf Vansen herab und runzelte leicht die Stirn. »Nicht du, Nordländerhund. Du bist Dreck. Aber dein Kumpan — das muss ein Eddon-Prinz sein. Kendrick? Nein, der ist ja tot. Aber mit diesem Haar ... ah, ja, natürlich. Es ist Barrick.«
Der Prinz mochte seinen Namen gehört haben, denn er stöhnte. Der Autarch lachte. »Seht, Olin — Euer Sohn ist hier, um zuzuschauen, wie Ihr Euch den Göttern hingebt.« Er wandte sich an einen fetten Priester mit einer riesigen Kopfbedeckung. »Es ist Zeit. Die Tür ist offen. Wir müssen den Gott jetzt dazu bringen, hervorzutreten und in sein auserwähltes Gefäß zu schlüpfen.«
Olin? König Olin war hier? Vansen bemühte sich, den Kopf zu heben und sich umzuschauen, und kurz sah er von hinten jemanden, der wohl König Olin war, sich aber krümmte und heftig atmete, fast wie eine Frau bei einer schmerzhaften Geburt.
Ein Stiefel drehte Vansen grob wieder auf den Bauch und drückte ihn zu Boden.
»Nicht doch, Hauptmann Marukh, lasst den Bauern auch zusehen«, sagte der Autarch munter zum Hauptmann der Leopardengarde. »Olin ist ja schließlich sein König ... und ich werde bald sein Gott sein!«
Der Schmerz nahm zu, kein Zweifel. Jeder Tropfen von Qinnitans Blut schien sich zu erhitzen, bis sie sich sicher war, dass sie von innen gegart würde wie eine mit heißen Steinen gefüllte Ziege. Aber es war mehr als nur Schmerz: Die Luft selbst schien dicker geworden, so schwer zu atmen wie Wasser oder das silberne Zeug, das diese Insel auf dem Grund der Schöpfung umgab. Und das Grausamste: Jetzt, da Barrick endlich hier war — der Moment, für den sie in dieser ganzen elenden Zeit fern der Heimat gelebt hatte —, war sie zu hilflos, um irgendetwas zu tun.
Warum habt ihr mir das angetan?,
fragte sie die Götter.
Mich aus dem Bienentempel geholt, mich durch die ganze bekannte Welt geschleppt, mich unablässig gequält, nur um ihn mir gerade noch zu zeigen, ehe ich sterbe? Ich verfluche euch,
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