Das Herz
dich!
Kernios, ich nenne dich beim Namen und binde dich!
Erdherr, ich nenne dich beim Namen und binde dich!
Du kannst nicht sterben, aber ich stehle dir die Freude!
Du kannst nicht sterben, aber ich lasse schwarze Ameisen auf dich los!
Du kannst nicht sterben, aber ich setze dir spitze Steinchen unter die Haut!
Du kannst nicht sterben, aber der Wind wird deine Gedanken zerstreuen!
Die Hunde werden vor deinem Fenster bellen!
Kein Schlaf wird dir Linderung bringen!
Dein Bett wird wie ein Grab ohne Grabgaben sein,
So ruhelos und einsam ...«
Während der Wüstenpriester die Worte sprach, begann die hölzerne Plattform zu ächzen und zu schwanken, als wäre ihr ein immenses Gewicht aufgelastet worden. Selbst der Fels der Höhlenwände schien unwirsch zu grollen, und Barrick wurde durchgerüttelt. Neben ihm regte sich Ferras Vansen, wenn auch Qinnitan immer noch dalag wie tot.
Doch das Etwas, das König Olin gewesen war, dieses wächserne, glimmende Ding, das nur noch von der Form her menschlich war, hörte nur ungerührt zu.
»Todesgott, indem ich deine geheimen Namen nenne, strafe ich dich!
Herr der Würmer!
Leerer Kasten!
Eisenhandschuh!
Indem ich deine geheimen Namen nenne, verfluche ich dich!
Du hingegen kannst mir nichts tun!
Verbrannter Fuß!
Silberschnabel!
König der Roten Fenster!
Herr und Sklave des Großen Knotens!
Du hast dich meinen rechtmäßigen Befehlen widersetzt.
Dein Herz ist mein!
Dein Wohlergehen liegt in meiner Hand!«
Der Priester endete mit einem Geheul von Verwünschungen, doch als er verstummte, stand der Gott immer noch ungerührt da, ein Lodern tief in Olins wächsernem Fleisch.
»Hast du wirklich gedacht, du könntest mir einen Strich durch die Rechnung machen, nach allem, was ich getan habe?«, rief der Autarch, zu wütend, um Unsicherheit zu zeigen. »Du bist gefangen, Kernios, gefangen in diesem sterblichen Körper! Denn indem ich dich beim Namen nenne, gebiete ich dir — und ich kenne alle deine Namen, Schädelfresser! Und wenn es mir beliebt, dieses Gefäß zu zerstören, könntest auch du sterben — ein echter Tod, der selbst Götter ereilen kann!«
»Du weißt so wenig.«
Der Gott breitete die Arme aus. Die Luft in der ganzen Kaverne wurde dichter, und Barricks Ohren schmerzten. Neben ihm am Boden stöhnte Vansen und fasste sich an den Kopf
»Ja, du hast mich bei einem Namen genannt ... aber es ist nicht meiner.«
»Tötet es!«, rief der Autarch. Leoparden setzten sich eilends in Bewegung. »Packt das Ding und werft es ins Feuer — verbrennt es ...!«
»Nein.«
Der Gott streckte die Hand aus, und die Soldaten fielen um, die Hände in die Brust gekrallt, als ob sie von Pfeilen durchbohrt worden wären; Gewehre und Helme klackerten auf die Bohlen.
»Du weißt so wenig. Ich bin nicht hier in dieser armseligen Haut. Selbst durch deine Zeremonie kann nur ein winziger Teil von mir herausgelangen, um in diesen zwiefach usurpierten König zu fahren. Der Rest ist immer noch in den Traumgefilden gefangen, wohin mich Krummling verbannt hat ... doch jetzt ist Krummling tot.«
»Aber du bist mein
Sklave,
Xergal oder Kernios oder welchen Namen du dir auch aussuchst, Todesgott!«, schrie der Autarch. »Daran kannst du nichts ändern. Ich habe die Worte der Macht gesprochen. Ich habe den Weg bereitet. Du bist gekommen und hast akzeptiert, was ich dir bereitgestellt habe — dieses sterbliche Gefäß mit seinem uralten, heiligen Blut! Jetzt bist du mein, verflucht,
mein!«
Der Gott lachte wieder. Es klang immer noch wie Musik, Musik allerdings, die in Barricks Schädel kratzte und quietschte, bis er glaubte, er würde gleich schreiend umfallen.
»Narr«,
sagte das Etwas in Olins Körper. »Du
vermagst mich nicht zu zähmen, weil du mich nicht beim Namen nennen kannst. Jetzt schau zum Fuß des Leuchtenden Mannes, dann siehst du die Lösung meines Rätsels.«
Alle Köpfe drehten sich hin. Im schwachen Licht der großen Höhlenkammer erkannte Barrick vermutlich als Einziger die korpulente kleine Gestalt, die da über die steinige Insel auf das monströse Felsgebilde zuschlurfte. Es war der Arzt Chaven Makaros; er trug die Kernios-Statue in der Hand und blinzelte wie ein Wesen, das wider Willen ans Licht gezerrt wurde.
»Wer ist das?« Sulepis verlor jetzt endgültig die Beherrschung. »Wer läuft da herum ...?«
»Das ist mein Sklave«,
sagte das Etwas in Olins Körper.
»Siehst du, was er in der Hand hält? Das ist der Gottstein, wie ihr ihn nennt — das, was du vergeblich gesucht hast.
Weitere Kostenlose Bücher