Das Herz
ruhig. »Achtung ...«
»Aber Ihr bekommt es nicht.«
Daikonas Vo drehte sich jäh um und schleuderte die Statue, so fest er konnte, zum Leuchtenden Mann hin.
Unter den verblüfften Blicken des Autarchen und aller übrigen Anwesenden wirbelte sie auf den jetzt plötzlich wieder dunklen Leuchtenden Mann zu, dann, als die Statue in den schwarzen Schatten des mächtigen Felsgebildes eintauchte, zerbarst die ganze Steinmasse plötzlich in einer gewaltigen Explosion von grellem Licht. Die umstehenden Xixier taumelten zurück, hielten sich die Augen und heulten vor Schmerz, doch der Autarch stieß nur einen einzigen Schrei der Verzweiflung aus.
Zugleich erzitterte die ganze Höhle, als ob ein gigantisches Wesen sie gepackt hätte und schüttelte. Die Plattform schwankte, und die Menschen darauf hatten Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Das Lodern, das der Leuchtende Mann gewesen war, wurde immer noch greller, bis da nichts anderes mehr war, bis es schien, als wäre die Sonne selbst in der weiten Kaverne entzündet worden.
Die Feuerblumenstimmen erfüllten Barricks Kopf.
»Krummling ist weg!«
»Weh uns! Der Weg ist endgültig frei! Weh der ganzen Erde!«
»Die Götter werden wieder frei sein.«
Das gleißend weiße Licht wurde plötzlich matter, ein Wirbel von Violett und Indigo wie ein Bluterguss in der Luft, dann erlosch auch dieser Rest. Das Beben der Höhle ließ nach. Kurz war da, wo der Leuchtende Mann gewesen war, noch ein ausgefranstes schwarzes Loch. Dann fiel Olins Körper wie ein nasser Mehlsack neben Barrick auf die Bohlen. Das Loch in der Luft über der Mitte der Insel füllte sich mit heißem, rotem Licht, und etwas trat daraus hervor, größer als ein Mensch und immer noch weiter wachsend, ein weißes Glühen in der Form eines schönen Jünglings, der einen Mantel aus züngelnden Flammen trug.
»JETZT MUSS ICH DEIN GESCHENK EINES STERBLICHEN KÖRPERS ZURÜCKWEISEN«, verkündete der Gott, der sie alle bereits turmhoch überragte und immer noch größer wurde. Seine Stimme war so lieblich, dass Barrick sich hineinstürzen und, von ihrer Musik gepfählt, sterben wollte. »DENN WIE DU SIEHST, KANN ICH MIR EINEN EIGENEN ERSCHAFFEN ...«
»Nein! Du bist mein, Todesgott!«, schrie der Autarch.
Der Jüngling lachte, und sein Haupt umwallte helles Flammenhaar. »ICH HABE DIR DOCH GESAGT, WENN DU MICH NICHT BEIM
NAMEN NENNEN KANNST, VERMAGST DU MICH NICHT ZU ZÄHMEN. ICH BIN NICHT KERNIOS, DER IMMER NOCH BEI DEN ÜBRIGEN GÖTTERN SCHLUMMERT, AUCH WENN ICH MEINEN VATER VIELLEICHT EINES TAGES WECKEN WERDE, DAMIT ER MIR MIT DEM REST DES HOFSTAATS DIENT. NEIN, DU NÄRRISCHER STERBLICHER! DU WOLLTEST EINEN GOTT VERSKLAVEN, ABER DU BIST ES, DER BETROGEN WURDE, VON MIR — DEM TRICKSTER, WIE MICH DIE PLÄRRENDEN QAR GENANNT HABEN. JETZT IST ZOSIM SALAMANDROS FREI! UND DEINE STERBLICHENARMEEN UND DEINE IDIOTISCHEN FLÜCHE UND ZAUBER KÜMMERN MICH NICHT!«
Diesem Etwas bin ich schon einmal begegnet, in einem Traum in der Stadt Schlaf,
dachte Barrick.
»Kann man das Dunkel töten?«, hat es mich verspottet. »Kann man den Erdgrund zerstören oder eine Flamme ermorden ...?« Und es hatte recht. Jetzt, da Krummling tot und der Weg frei ist, können wir es nicht aufhalten ...!
»KOMM HER, KLEINER SOLDAT!«, donnerte Zosim. Er ergriff Daikonas Vo, den Mann, der ihn befreit hatte, und hob ihn empor. »DU HAST MIR EINEN DIENST ERWIESEN — ALSO WILL ICH DICH BELOHNEN! DU WIRST TEIL EINES GOTTES WERDEN!« Er warf Vo in sein Flammenmaul und zerkaute ihn wie eine geröstete Kastanie. »DU KANNST STOLZ SEIN!« Zosim lachte und rülpste eine feurige Wolke hervor. »DU BIST JETZT UNSTERBLICH!«
Die monströse Gestalt wurde immer noch größer, die Luft immer noch heißer. Männer schrien und gingen beim Versuch zu fliehen in Flammen auf. Der Gott der Dichtkunst und des Schwindels, jetzt ein hübscher Jüngling von der Größe eines Tempelminaretts, blickte auf ihre Hilflosigkeit herab und lachte, dass die Höhlenwände wackelten.
41
Schlangen und Spinnen
»Viele fromme Menschen kamen nach Tessideme, um den Ort zu sehen, wo die Sonne wieder an den Himmel zurückgelangt war, und um Gaben am Grab des Waisenknaben niederzulegen. Es kamen so viele, dass Tessideme im Lauf der Jahre von einem kleinen Dorf zu einer stolzen Stadt wurde, welche die Bewohner Tessis nannten.«
Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
Das Etwas, das ihn verfolgte, kam näher, und als Giebelgaup sich
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