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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Oberfläche, als ob der mächtige, menschenförmige Stein, jetzt, da Chaven sich ihm näherte, zum Leben erwachte.
    Endlich ließ der Würger Barrick auf die Knie sinken. Barrick schnappte nach Luft, und das Rot vor seinen Augen wich.
    Da trat plötzlich eine neue Gestalt aus einer Gesteinsspalte am Fuß des Leuchtenden Mannes, als hätte sie die ganze Zeit dort gewartet: ein bizarrer Mann, den Barrick noch nie gesehen hatte, zerlumpt und bärtig wie ein Wüstenorakel. Chaven war so tief in seinem tranceartigen Zustand, dass er den Mann gar nicht bemerkte — aber der Mann hatte ihn bemerkt. Er trat Chaven direkt in den Weg, und einen Moment lang standen sie beide stumm da und starrten sich an. Dann erhob die bärtige Erscheinung einen ganz normalen Stein und hieb ihn dem Hofarzt auf den Kopf Chaven sackte zu Boden, den Gottstein noch immer umklammert, aber der Fremde bückte sich und schlug immer weiter mit dem Stein auf ihn ein, bis Barrick, obschon inzwischen an Horror gewöhnt, wegschauen musste. Als er wieder hinsah, stand der Fremde triumphierend über Chavens Leichnam, den Gottstein jetzt in seinen blutigen Händen.
    »Bei meinen Ahnen«, sagte der Autarch verblüfft, »das ist ja Daikonas Vo!«
    »Neiiiiin!«
Jetzt waren Schock und Entsetzen aufseiten des Wesens in Olins Körper: Seine Stimme klang kaum noch menschlich, als es keuchte und zischte:
»Das kann nicht ...! Nein! Das steht nicht ...!«
    Der Bärtige reckte die schimmernde Statue empor und wankte auf die Plattform des Autarchen zu wie der Sieger eines Jahrmarktringkampfs mit seiner Trophäe. Die Soldaten, die der Autarch nach Chaven ausgeschickt hatte, irrten immer noch umher und schienen den Mann nicht zu sehen. »Vo!«, rief der Autarch, und seine Stimme bebte vor Erleichterung. »Daikonas Vo, mein prachtvoller Soldat! Dafür sollst du tausend Gaben erhalten! Gold, Jungfrauen, Gewürze — was immer du willst!«
    Der Mann, den er Vo genannt hatte, blieb stehen, nahm die Hände herab und starrte darauf, als würde ihm jetzt erst bewusst, dass sie eine schwere Steinstatue hielten. Er richtete den stumpfen Blick auf Sulepis.
    Das Etwas in Olins Körper wand sich vor Wut und Enttäuschung.
»Gib es ihm nicht!«,
rief es.
»Warum gehorchst du nicht mir?«
    Vo betrachtete den Gott neugierig, wandte sich dann aber an den Autarchen. »Ihr habt mir etwas eingepflanzt, o Goldener. Es bringt mich um.« Vo sah auf seinen Bauch. »Nein, das ist gelogen. Es hat mich bereits umgebracht. Ich spüre es.«
    »Nein, das stimmt nicht!« Der Autarch wedelte hektisch mit den Händen und sah jetzt erstmals so jung aus, wie er wirklich war. »A'lat, kommt, sagt es ihm.« Er winkte den Wüstenpriester herbei. »Sagt es ihm! Sagt meinem braven Soldaten, dass wir es wieder in Ordnung bringen können. Wir kurieren Euch, Hauptmann Vo. Ihr habt nichts zu befürchten. Ihr werdet aufsteigen — so hoch wie kein anderer! Wollt Ihr der Herr dieses nördlichen Landes werden? Mein Vizekönig? Nichts leichter als das! Wo ist Pinnimon Vash? Er soll es sofort beurkunden! Vash? Beim feurigen Nushash, wo steckt der verfluchte alte Knochen ...?«
    Vo wankte ein wenig, und Barrick war klar, dass der Mann kaum stehen konnte. »Und das Mädchen aus dem Bienentempel ...?«
    »Gewiss«, sagte der Autarch. »Das Mädchen. Ihr wollt es für Euch? Ihr sollt die Kleine haben, macht mit Ihr, was Ihr wollt. Sie ist Euer — mir nützt sie sowieso nichts mehr!«
    Daikonas Vo kam noch ein paar Schritte näher und ließ die Statue sinken, als ob sie mit jedem Augenblick schwerer würde. Einige Xixier auf der Plattform hatten bereits Pfeile eingelegt und warteten nur auf das Kommando des Autarchen, um Vo zu erschießen.
    »Ihr habt sie gar nicht gebraucht«, sagte Vo so leise, dass es kaum zu verstehen war.
    »Was?« Der Autarch hatte offensichtlich nicht so ein scharfes Gehör wie Barrick. »Was hat er gesagt? Ihr wollt mehr, Vo? Sagt es nur!«
    »Ihr habt sie gar nicht gebraucht.« Wieder sprach der Bärtige so leise, dass alle auf der Insel verstummten, um ihn hören zu können. »Ihr habt mir einen Dämon in den Leib gesetzt, damit ich Euch das Mädchen bringe ... und Ihr brauchtet sie gar nicht für Euren kleinen Mummenschanz.« Er knickte in Knien und Taille ein, und Barrick war sich sicher, dass er zusammenbrechen würde. Aber dann richtete er sich langsam wieder auf. »Und jetzt wollt Ihr auch noch das hier«, murmelte Vo.
    »Leoparden ...!«, sagte der Autarch leise, aber alles andere als

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