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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weil ihr Angst vor meiner Familie hattet.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ein trauriges Erbe.«
    Die Art, wie sie es sagte, machte ihm etwas Hoffnung. »Ihr könnt doch nichts für das, was Eure Vorfahren getan haben.«
    »Aber unser Thronanspruch gründet sich doch auf das, was unsere Vorfahren getan haben! Wenn die Geschichte bedeutungslos ist, dann ist es auch das Haus Eddon.«
    Chert zuckte die Achseln. »Dann muss vielleicht jede Generation ihren Thron neu verdienen.«
    Ihre Augen wurden größer. »Ihr verblüfft mich, Meister Blauquarz. Das ist wirklich eine ...«
    Was die Prinzessin sagen wollte, blieb offen. Sie hatten gerade einen Felsvorsprung umgehen und dabei der Wegkante ungemütlich nahe kommen müssen, doch jetzt war im Schein von Cherts Fackel etwas Dunkles erkennbar, das vor ihnen auf dem Weg lag.
    »Beim Heißen Herrn!« Chert zuckte zusammen, als er sich ausgerechnet hier, so nah über den Mysterien und dem Meer der Tiefe, etwas so Gotteslästerliches sagen hörte. »Das ist der Kerl, mit dem Ihr gekämpft habt — der Reichshüter!«
    Briony stieß die Gestalt vorsichtig mit dem Stiefel an. »Er hat nichts gehütet.«
    Hendon Tollys heiles Auge sprang auf. Chert fuhr erschrocken zurück, aber der Reichshüter regte sich nicht. Er schien zu ihnen emporzustarren, aber ob er irgendetwas sah, war schwer zu sagen.
    Sein anderes Auge verdeckten Blut und das Heft des kleinen YistiDolches.
    »Du wolltest alles zerstören, was ich liebe«, sagte Briony. »Aber das ist dir nicht gelungen, Hendon. Du wirst die Ewigkeit dort unten im Dunkeln verbringen, unter deinesgleichen — Schlangen und Spinnen.« Sie zog den kleinen Dolch aus seiner Augenhöhle, stemmte dann, noch ehe die Wunde wieder zu bluten begann, den Fuß gegen seinen Oberkörper und schob Tolly über die Wegkante in den dunklen Schlund.
    Cherts Schritte wurden immer schleppender, je weiter sie hinabkamen. »Hoheit«, sagte er und blieb stehen, »ich kann Euch wirklich nicht tiefer hinuntergehen lassen. Wir müssen schon auf der Tiefe von Funderlingsstadt sein — vielleicht können wir ja einen Quergang dorthin nehmen und auf diesem Weg an die Oberfläche zurückkehren.«
    »Dahin gehen, wo sich Durstin Krey und andere von Tollys Mordgesellen verschanzen? Warum sollte ich so etwas tun? Wollt Ihr sagen, wir kommen auf diesem Weg hier nicht zu meinem Vater, meinem Bruder und den Qar hinab?« Sie sah ihn an. »Habt Ihr mich belogen?«
    »Nein, Herrin, nein.« Chert schüttelte den Kopf Er fand (auch wenn das etwas anmaßend schien) ziemlich viel von Opalia in dieser jungen Frau wieder. Beide hatten einen stählernen Willen, und beide schienen ihm nicht sonderlich viel zuzutrauen. »Aber wir nähern uns mit jedem Moment einer Art Katastrophe.« Jetzt, da es so weit war, wollte er es ihr nicht sagen. So eine schreckliche Entscheidung, und die Regentin musste es von einem einfachen Steinhauer erfahren, der diese Entscheidung an ihrer Stelle getroffen hatte! »Vertraut Ihr mir einfach, wenn ich sage, dass wir nicht weitergehen können? Dass es zu gefährlich ist?«
    Sie starrte ihn an. Ihr Gesicht blieb hart. »Ob ich Euch vertraue, Chert Blauquarz? Seid Ihr verrückt? Was hat das mit irgendetwas zu tun? Fast alle, die ich noch an Familie habe, sind tief dort unten in der Erde und kämpfen um ihr Leben. Warum in aller Welt sollte ich hier kehrtmachen?«
    Chert merkte, dass sie nicht nachgeben und schon gar nicht umkehren würde, und aus seiner Erfahrung mit einer anderen unnachgiebigen Frau wusste er, dass er keine Wahl hatte.
    »Dann bleibt kurz stehen, Hoheit, damit ich Euch erklären kann, warum wir nicht weitergehen sollten ...«
    Als er ausgeredet hatte, starrte ihn die Prinzessin an. Chert konnte die Regungen auf ihrem Gesicht gar nicht zählen — Angst, Verblüffung und Zorn waren die offensichtlichsten.
    »Ist das wahr?«, sagte sie. »Ihr Funderlinge wollt ihn zum
Einsturz bringen?
Den Fels unter meinem Familiensitz? Während die Leute alle noch in der Burg sind? Und meine Familie drunten im Herzen des Ganzen?« Ihre Augen wurden schmal. »Und Ihr sagt, es war
Eure
Idee?«
    »Ja — aber es sollte ja nur passieren, wenn gar keine andere Hoffnung mehr bestünde, Prinzessin. Und der Plan war auch komplizierter — ausgefeilter, ich schwör's ...!« Er wollte ihr nicht sagen, dass es jetzt seiner Meinung nach sowieso für alles zu spät war — zu spät, um den Autarchen zu schlagen, mit Sicherheit, aber auch zu spät für seine eigene

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