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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sicher?«, fragte Chert und spähte ins Dunkel hinab, als könnte er es dort schwimmen sehen. »Woher wollt Ihr das wissen?« »Wenn es zerbrochen wäre, wären wir jetzt ja wohl tot.«
    Aber Chert war plötzlich abgelenkt. »Prinzessin? Seht Ihr sie?«
    »Was? Wen?«
    »Da unten.« Doch da, wo er hinzeigte, sah Briony gar nichts — es war zu weit weg und zu dunkel. »Keiner von ihnen rührt sich, aber es sind vier, die in einem Boot liegen.«
    »Wovon sprecht Ihr?« Sie konnte in dieser Düsternis nicht so gut sehen wie ein Funderling, und ein Boot vermochte sie nicht zu entdecken, doch als sie hinabstarrte, war da in der Tiefe des Wassers ein grünes Glimmen; es wurde größer — stieg empor. Kurz sah sie wie im Traum etwas ganz und gar Unmögliches — eine riesige, glühende, menschenförmige Gestalt, die sich durch endlose Massen brodelnden Wassers emporkämpfte. Dann wurde die Gestalt langsamer. Das Leuchten ließ nach, erstarb fast ganz, und die gigantische menschenförmige Gestalt zerfiel in trüb flackernde Stücke. Im nächsten Moment war das Wasser wieder vollkommen dunkel. Es war ein Traum gewesen, eine Vision, weiter nichts. Briony schüttelte verwirrt den Kopf »Seht Ihr das Boot immer noch? Sind da wirklich Leute drin?«
    »Ja. Wenn ich mit meinem Seil zu ihnen hinunterkomme, können sie vielleicht ein paar von Euren Fragen beantworten. Wenn sie noch leben natürlich.«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich.« Briony starrte auf das Boot hinab, das sie nicht sehen konnte. Was war da los? Und vor allem, was war dort unten in der Tiefe geschehen? Mit ihrem Vater und ihrem Bruder? Mit dem Autarchen? Das Wasser brodelte immer noch; Wellen schlugen gegen die Wände des riesigen Lochs. Wie konnte das jemand überlebt haben? »Barmherzige Zoria, ist außer uns noch jemand am Leben?«
    Doch Chert war schon auf der Suche nach etwas, woran er sein Kletterseil befestigen konnte.
    Chert sah außergewöhnlich düster drein, als er wieder heraufkam, nachdem er einem der Überlebenden ein Seil umgebunden hatte, und er wollte keine von Brionys Fragen beantworten, während sie die erste Person aus dem Boot heraufzogen, ein schlankes junges Mädchen mit der dunklen Haut und dem dunklen Haar einer Südländerin; sie war kalt und leblos. Als sie sie gerade losgebunden hatten, kamen die ersten Syanesen den Pfad herab. Eneas habe sie geschickt, erklärten sie Briony, und der Prinz sei nicht weit hinter ihnen. Mit ihrer Hilfe hatten sie die zweite Person schneller geborgen, und noch ehe sie sie losbanden, war Briony klar, dass sie den Leichnam ihres Vaters vor sich sah.
    Während sie weinend auf Olins kalter Brust lag, zogen die Soldaten die letzten beiden Personen aus dem Boot empor. Ihr Bruder Barrick wurde neben ihren Vater gelegt; dann, während sie mit wachsendem Entsetzen auf sein bleiches, regloses Gesicht hinabblickte, wurde der letzte Bootsinsasse geborgen. Er kämpfte sich selbst aus den Seilschlingen, kam mit wackligen Schritten auf sie zu und fiel dann auf die Knie, schwankend wie ein von Äxten gekerbter Baum, kurz bevor er fiel.
    »Auf Euer Geheiß, Prinzessin, bringe ich Euch Euren Bruder zurück. Ich glaube ... ich glaube, er lebt noch ...«
    Ferras Vansen verdrehte die Augen und kippte ihr ohnmächtig vor die Füße.

VIERTER TEIL - DIE TANNE

45

Nur im Traum
    »Drei Tage und drei Nächte ging Adis in Kerniou umher und sang die traurige Geschichte seines Lebens, bis schließlich die Göttin Mesiya, die Gemahlin des Kernios, eine Träne des Mitleids vergoss. Da wurde Kernios so zornig, dass er sie für immer verbannte ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Sie war so unendlich müde. Sie wollte nur schlafen, schlafen, bis die Welt eine andere wäre — aber dieser Wunsch würde sich offensichtlich nicht erfüllen ...
    »Und der xixische Feind, Hoheit?«
    Briony nickte. »Die Stadt ist sicher. Hauptmann Vansen sagt, sie sind in den Hügeln versprengt, Graf M'Ardal!«
    »Aber es sind doch immer noch viele ... Tausende!«
    Sie gab sich alle Mühe, einen freundlichen Ton beizubehalten. Der junge Graf war einer der wenigen, die sich Hendon Tolly widersetzt hatten. Männer wie ihn würde sie brauchen. »Sie haben keinerlei Absicht erkennen lassen, den illegitimen Angriff ihres Autarchen auf Südmark fortzuführen, und unsere Soldaten sind vollauf damit beschäftigt, die letzten Anhänger des Verräters Tolly innerhalb unserer Mauern auszuschalten.« Sie

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