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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Größeres vor. Sie haben das Feuer erweckt, um den Erdgrund zu zertrümmern, und wenn der Erdgrund zerfällt — da, schau!
    Und als der Stein des Midlanfels barst und zusammenstürzte, als die Serie der Flammeneruptionen Wand um Wand der Funderlingsmysterien zum Einsturz brachte — da brach schließlich das Meer herein.
    Der Wasserherr mag ja schlafen, aber er ist immer noch mächtig!,
rief Ynnir.
Was vermag das Feuer des Trickstergottes zu vernichten? Das Wasser Menschenkind — das tiefe, kalte Wasser des gewaltigen Ozeans!

    Der gigantische lodernde Gott war kaum in dem Felskamin verschwunden, als aus der riesigen Öffnung in der Kavernendecke ein gewaltiges Donnergetöse erscholl. Im ersten Moment dachte Vansen, es wäre wieder das Wut- und Triumphgebrüll des Gottes, noch verstärkt durch den Hall des senkrechten Schachts, doch zugleich bebte die Erde, und um ihn herum gerieten die rundgeschliffenen Steine des Inselufers ins Rutschen und Rollen.
    Vansen stemmte sich auf Hände und Knie empor und kam dann mühsam in den Stand. Jetzt regnete es Steine von den Höhlenwänden, zuerst nur kieselgroße, dann jedoch Brocken, so groß wie sein Kopf, und gleich darauf noch mächtigere. Ein Felsstück von der Größe eines Trosswagens krachte ins Meer der Tiefe, und eine silberne Fontäne, so hoch wie die äußere Burgmauer, spritzte empor.
    Irgendwo müssen uns die Götter auslachen,
dachte Vansen.
Zosim der Trickster steigt an die Oberfläche, während wir Menschen, hilflos hier unten gefangen, von herabstürzenden Steinen erschlagen werden.
    Das Donnergrollen wurde noch lauter. Die Erde bebte noch heftiger. Vansen kam ins Taumeln, als die Insel unter ihm schwankte wie eine Hängebrücke, doch schließlich erreichte er Prinz Barrick. Er hoffte, dass das Erdbeben bald aufhören würde, aber es ging immer weiter, allenfalls noch heftiger — es war, als stünde er auf dem Fell einer Trommel, die jemand schlug. Gleichzeitig wurde die Luft um ihn herum immer dicker und schwerer; sie drückte ihm auf die Augen und machte ihm Ohrensausen.
    »Hoheit! Barrick! Ich habe nicht ... die Kraft ... Euch zu tragen ...! Wacht auf!«
    Vansen schleifte den Prinzen ein paar Schritte in Richtung Boot, aber er konnte sich kaum auf den Beinen halten, und seine Arme waren taub. Er fühlte, wie Barrick sich unter seinen Händen leise regte.
    »Was ...?«
    »Es bricht alles zusammen, Hoheit — die ganze Kaverne stürzt ein. Wenn wir es in einen der Gänge schaffen ...«
    Barrick riss sich aus Vansens Griff los. »Nein!« Er wälzte sich auf den Bauch und kroch dann los, so schwerfällig wie eine Schildkröte. »Nein, das ... das Boot. Wir müssen ... ins Boot.«
    »Hoheit, das ist doch Wahnsinn«, rief Vansen. »Es kann uns niemals schützen — manche Steinbrocken sind hausgroß!«
    »Vansen, ich ... gebiete Euch nicht als Prinz, ich ... bitte Euch als Freund.
Ins Boot!«
    Barrick kletterte mit letzter Kraft über die Schilfbündelwand ins Boot, lag dann zwischen König Olin und dem schwarzhaarigen Mädchen, so bleich und still, als ob sein Herz stehengeblieben wäre. Vansen krabbelte neben ihn.
    »Was auch passiert, haltet sie fest«, sagte Barrick, die Augen geschlossen und so totenblass wie sein ermordeter Bruder in jener Nacht. »Haltet meinen Vater fest und lasst ihn nicht los. Er hat es verdient ... nach Hause zu kommen ...«
    Und dann ergoss sich der erste mächtige Schwall Meerwasser in die Letzte Stunde des Ahnherrn hinab. Der Schwall wurde zur Sturzflut, einer einzigen jadegrünen Wassersäule, als ob das gesamte Iridische Meer aus einem Rieseneimer auf sie herabgekippt würde. Als die Wand von Grün auf sie zukam, hatte Vansen für einen Moment die bizarre Vision von einem darin gefangenen Jüngling, der wie geschmolzenes Silber glomm und leuchtete, während ihn die Macht des Wassers beutelte. Vansen grub eine Hand so tief wie möglich zwischen die Schilfbündel des Boots und schlang dann den anderen Arm um König Olins leblosen Körper.
    Die rasende Welle brach über sie herein und verwandelte die Welt in lautlose Jade. Blasen schwebten vor Ferras Vansens blinzelnden Augen, leuchtend wie vom Firmament gefallene Sterne. Das Schilfboot schnellte an die Oberfläche empor, und kurz konnte er Luft in seine Lunge saugen, doch das Gefährt wurde vom tosenden Wasser umhergeworfen wie ein Holzspan. Vansen konnte nicht einmal den Kopf heben, um sich umzuschauen — er konnte überhaupt nichts anderes tun, als Olin festzuhalten und sich

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