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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Blut sich über Zosims Hand ergoss, riss der Gott dem Xixier auch noch die langen Beine aus. Die wahnsinnigen Schreie stiegen empor, bis es schien, als schrien die Sterne selbst am unsichtbaren Himmel. Der Gott hob den zuckenden, arm- und beinlosen Körper des Autarchen an seine mächtige Stirn und drückte ihn an, sodass der blutende, goldene Klumpen regelrecht mit Zosims Fleisch zu verwachsen schien ... und sich dann entzündete. Sulepis lebte immer noch, lodernd, aber nicht von den Flammen verzehrt, und zerrte kreischend gegen das Fleisch des Gottes an, das ihn jetzt festhielt. Ferras Vansen konnte nur, im Uferschlick liegend, nach Luft ringen, halb wahnsinnig von allem, was er gesehen hatte.
    »JETZT WIRST DU DAHIN GEHEN, WO ICH HINGEHE, KLEINER KÖNIG, UND SEHEN, WAS ICH SEHE ... EINE ZEITLANG.« Zosim wandte sich ab und stolzierte über die Insel, die unter jedem seiner Schritte erbebte. Am Ufer angelangt, watete er bis an die marmorweißen Hüften in das silberne Meer. Bei jedem Schritt loderte der Gott heller und heißer, schlugen die Flammen auf seiner Haut höher. Als er das gegenüberliegende Ufer erreichte, lohte er so grell, dass seine Form in den Flammen kaum noch erkennbar war.
    Zosim streckte eine mächtige Hand empor und fasste an die Höhlenwand. Der Stein rauchte, zersprang und bröckelte heraus. Zosim langte höher hinauf, schuf sich dort einen weiteren Griff und grub dann den Fuß in den Stein. Der Gott hatte jetzt nichts Menschenähnliches mehr, war nur noch eine Titanengestalt aus schierem Feuer. Vom Autarchen konnte Vansen aus dieser Entfernung nichts mehr sehen, aber er glaubte immer noch dünne Schreie durch das Tosen der Flammen zu hören.
    »SO KEHRE ICH DENN ZURÜCK!«, verkündete der Gott und kletterte die senkrechte Wand aus rauchendem, schmelzendem Stein hinauf, stetig der Oberfläche entgegen.

44

Die schreienden Sterne
    »... Also rief Kernios den Schatten des Waisenknaben zu sich und sagte, wenn jemand im düsteren Kerniou um ihn weine, dürfe er gehen ... Zoria gab ihm Hände aus Eichenholz, damit er auf seiner Flöte spielen konnte.«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Schau, was sie gemacht haben.
    Barrick regte sich, versuchte die Augen aufzumachen, aber es fruchtete nichts. Das tiefschwarze Dunkel
war
einfach.
Ich kann nichts sehen!
    Du musst mit den Augen der Feuerblume schauen.
Ynnirs Stimme.
Ich fürchte, dies ist das letzte Mal, dass ich mit dir sprechen kann — es wird immer schwerer ...
    Barrick bewegte sich auf etwas zu — kein Licht, aber ein Weniger-Dunkel, eine Gestalt, die sich selbst zu erschaffen schien, indem sie sich dem Dunkel widersetzte. Sie stand ruhig vor ihm, das Geweih ein Dickicht, das kein Ende zu haben schien.
    Sterbe ich jetzt auch?
    Noch nicht.
Der mächtige Hirsch senkte kurz den Kopf, wie um zu äsen.
Aber niemand — nicht mal die Götter, wie es scheint — dauert über das Buch hinaus. Und das hier wird eine der seltsamsten Seiten ...
Plötzlich hob das Tier den Kopf, als hätte es etwas gehört.
Komm. Folge mir Schau, was sie gemacht haben!
    Der Hirsch sprang davon, und wenn Barrick auch von dem Grund, über den das Tier lief, nichts erkennen konnte, klang es doch, als wäre da unter seinen Hufen realer Boden aus Gras, Blättern und Zweigen. Barrick rannte hinterher.
    Was wer gemacht hat?,
rief er.
    Die Kurzlebigen. Deinesgleichen — große und kleine. Siehst du? Schau, wie sie einen Weg durchs Dunkel gefunden haben!
    Sie rannten jetzt beide durch eine schwarze Leere, durchloht von Feuerströmen. Die Flammenausbrüche erfolgten einer nach dem anderen, mächtige Eruptionen schierer Energie, die sich gleißend dahinwälzten und zu Hitze zergischteten, bis die Erde selbst bebte und barst.
    Was ist das, Herr?
    Die Sterblichen haben Feuer entfesselt, um einen Feuergott zu bekämpfen,
sagte Ynnir, während sie zusahen, wie der Feuersturm anschwoll und sich ausbreitete, wie das Gestein zersprang und einstürzte.
Krummlings Feuer nennt es sich. Siehst du? Die Macht des Feuers ist die Macht der alles verwüstenden Zeit selbst, aber hier ist die Verwüstungskraft der feurigen Zeit zu einem einzigen Punkt verdichtet, zu einem Moment der Zerstörung, den wir jetzt in seiner ganzen Großartigkeit sehen. Schau! Aus nichts als pulverisierter Erde haben die Sterblichen Flammen gemacht und den Erdgrund aufgebrochen.
    Aber warum? Wollen sie den Trickster und sein Feuer ersticken?
    O nein. Sie haben

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