Das Herz
zu lassen!«
»Ich bin zuerst und zuvörderst dem Thron verpflichtet, Briony. Das war immer so. Euer Vater selbst hat mir das sehr klar gemacht. Ja, ich habe seinen Tod geplant — aber mit seinem Wissen.«
»Was?« Wieder schien Briony kurz davor, aufzuspringen und ihn anzugreifen. »Wollt Ihr behaupten, er habe seine eigene Familie ermorden lassen wollen ...?«
»Nein!« Zum ersten Mal kam Brone aus der Ruhe. »Nein, natürlich nicht, Hoheit! Aber Euer Vater wusste, dass er eine Krankheit hatte, die niemand heilen konnte — eine Krankheit des Blutes, die wildwütenden Wahnsinn über ihn brachte. Und seit etwa zehn Jahren wusste er auch, dass Barrick die gleiche Krankheit des Blutes hatte. Ihr und Kendrick schient nicht betroffen, aber wer konnte das schon sicher wissen?«
»Was hat das alles mit Vaters ... Blut zu tun ...?«
»Er vertraute sich selbst nicht — und um ehrlich zu sein, ich konnte es mir auch nicht leisten, ihm restlos zu vertrauen. Er war der König, aber mindestens eine Nacht im Monat war er auch eine Bestie — ein tobsüchtiger Irrer. Wie sollte ich das Land schützen, ohne Vorsorge für den Fall zu treffen, dass der König ganz und gar wahnsinnig würde? Wie sollte ich die Markenlande schützen, falls seine Erben ebenfalls infiziert wären? Wenn Euer Vater unrettbar verrückt würde, hatte ich Order, ihn wegzusperren — und Euch alle ebenfalls, bis wir wüssten, ob jemand von Euch vertrauenswürdig war. Und wenn Ihr es alle nicht wärt, hätte es keinen Sinn, Euch am Leben zu lassen und damit Unruhe unter den Leuten zu schüren, die das alles nicht verstehen würden. Ich war darauf vorbereitet, nötigenfalls einen anderen Verwandten zu inthronisieren, vielleicht einen der brenländischen Vettern — ja, Euch sogar alle zu töten, wenn mir keine andere Wahl bliebe! Aber ich wollte es nicht, und ich habe es nur ins Auge gefasst, weil Euer Vater, gepriesen seien sein Mut und seine Voraussicht, es mir persönlich befohlen hatte.« Der Graf von Landsend faltete die Hände auf dem Bauch und sah sie ruhig an. »Wenn Ihr mich immer noch hinrichten wollt, Prinzessin, dann tut es. Ich werde keinen Widerstand leisten.«
Zuerst dachte Vansen, Briony würde den alten Mann anschreien — ihr Gesicht war jetzt so rot, dass er um ihre Gesundheit fürchtete. Doch als sie sprach, war es kaum mehr als ein Flüstern.
»Habt Ihr irgendwelche Briefe meines Vaters, die das beweisen?«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe Briefe, in denen er auf den Plan anspielt. Ich kann sie Euch zusammenstellen. Meine sämtlichen Unterlagen aus der Zeit, als ich Eurem Vater diente, stehen jetzt ohnehin Euch zu, Prinzessin, vielleicht wollt Ihr ja lieber, dass sie jemand durchsieht, der Euch vertrauenswürdiger erscheint als ich. Aber wählt diese Person mit Bedacht, Briony.« Sein Lächeln war bar jeder Heiterkeit. »Ich vermute, dass in Eurer Umgebung noch unentdeckte Verräter sind ...«
»Geht mir aus den Augen, Brone.« Sie sprach, als hätte sie den Mund voll Gift. »Ich werde Garden mit Euch schicken, die die Papiere holen sollen. Bis ich entschieden habe, was geschehen soll, werdet Ihr die Hauptburg nicht verlassen. Und Ihr werdet schon
gar nicht
auf Euren Besitz in Landsend zurückkehren.«
Avin Brones Verneigung war kaum mehr als ein Nicken. »Ihr seid meine Regentin, Prinzessin. Natürlich werde ich tun, was Ihr sagt.«
Vansen hatte vier Mann statt der üblichen zwei als Wachen für Briony eingeteilt, die restlichen aber weggeschickt, und wartete jetzt, wie sie es gewünscht hatte, aber Briony ignorierte ihn geflissentlich, während sie einen Becher Wein trank.
Briony wusste, sie sollte froh sein, dass Brone eine plausible Erklärung hatte — sie konnte sich nicht erinnern, jemals ein Gespräch so gefürchtet zu haben —, aber sie war genauso wütend wie vorher, nur dass sie diese Wut jetzt gegen niemanden mehr richten konnte. Ein kleiner Teil von ihr hatte gehofft, Brone würde lachen, die Anschuldigung würde sich als so offensichtlich absurd erweisen, dass auch sie mitlachen könnte, aber im Grund war sie sich sicher gewesen, dass er schuldig war, dass seine Warnung, sie solle niemandem trauen, ein verschleiertes Geständnis gewesen war. Und als er es dann zugegeben hatte, war alles in ihr, was hart und auf Selbstschutz ausgerichtet war, heruntergerasselt wie das Fallgitter des Rabentors. Jetzt war sie immer noch wütend auf den alten Mann, aber auch wütend auf sich selbst. Wenn Brones Geschichte stimmte,
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