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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Beisetzung bei Euch bleiben.«
    »Danke, Hauptmann Vansen. Ich schulde Euch noch eine Entschuldigung, und es ... beeinträchtigt meinen Schlaf. Ich bedaure aufrichtig, was ich damals in meinem Schmerz nach Kendricks Tod zu Euch gesagt habe. Ihr seid ein braver Mann und habt es oft genug bewiesen.«
    Etwas Seltsames regte sich gleich unter der ruhigen Oberfläche seines Gesichts. Ärger? Schmerz? »Mein einziges Bestreben ist es, Euch zu dienen, Hoheit«, war alles, was Vansen sagte. »Und den Markenlanden natürlich.«
    Er stand rasch auf, verbeugte sich wieder und eilte hinaus. Briony saß noch einen Moment da und sammelte Kraft, um sich zu erheben und ihren Pflichten als Hauptleidtragende nachzukommen. Inmitten all der bekannten Gesichter, die sie umgaben, fühlte sie sich doch sehr allein.

    Vansen hielt nichts von Brionys Entscheidung, die Trauerfeier für den König im allgemein zugänglichen äußeren Palastgarten abzuhalten, wenn er auch ihren Wunsch verstehen konnte, den Burgbewohnern die Möglichkeit zu gemeinsamem Trauern zu geben. Obwohl Durstin Krey sich endlich ergeben hatte und mit seinen letzten Anhängern ins Verlies geworfen worden war, fehlte von einigen der gefährlichsten Tolly-Leute wie etwa Berkan Hud trotz intensiver Suche noch immer jede Spur, und Vansen fand es ein unverzeihliches Risiko, dass Briony und der kleine Sohn ihres Vaters sich an einem Ort zeigten, wo zwei gutgezielte Pfeile von einem fernen Dach ein herrscherloses Südmark hinterlassen konnten, ganz gleich, was die unterbemannte königliche Garde dagegen zu tun versuchte.
    Es verstärkte seine generelle Unsicherheit noch. Die königliche Garde bedurfte, genau wie die Burg, die sie beherbergte, und das Haus Eddon, das sie besoldete, eines Neuaufbaus. Jem Fetter hatte schon mehrmals versucht, seinem ehemaligen Hauptmann die Führung abzutreten, aber Vansen wusste nicht recht, ob er seine alte Position wiederhaben wollte. Schon deshalb, weil es ihn zwingen würde, Briony Eddon jeden Tag zu sehen; das war zwar in gewisser Weise sein innigster Wunsch, aber er wusste, ihr so nah zu sein und sie nicht haben zu können, würde eine Qual sein. Und wie lange noch, bis sie Eneas von Syan ihr Jawort geben würde? Was hieße das für ihn, Ferras Vansen? Dann wäre er kaum mehr als ein Page mit Schwert.
    Außerdem erschien es irgendwie auch witzlos, wieder das zu machen, was er vorher gemacht hatte, so notwendig es auch sein mochte. Wenn man einmal gegen einen Gottkönig und einen richtigen Gott gekämpft hatte, war es bestimmt nicht leicht, sich wieder mit der Erstellung von Dienstplänen und ähnlich prosaischen Seiten seines Berufs zu befassen. Er freute sich auf den Frieden — welchem Soldaten, der diesen Wahnsinn überlebt hatte, ginge es nicht so? —, aber nicht auf die Aufgabe, fünf Fünfzigschaften Männer beschäftigt und kampfbereit zu halten, während es gleichzeitig die Herrscherfamilie lückenlos zu schützen galt.
    Seit Mittag schon, als der lange Schatten des Wolfszahnturms von West nach Ost übergewechselt war, warteten alle im äußeren Palastgarten. Trotz der Trauerstimmung sah es aus, als wären die Leute aus einem fröhlicheren Anlass versammelt: Ihre Plätze auf dem sonnigen Rasen markierten ausgebreitete Decken und Mäntel, und man erkannte noch Überreste von Mahlzeiten. Die Familien-Trauerfeier hatte bereits in dem Palastsaal stattgefunden, wo König Olin aufgebahrt gewesen war. Jetzt, da sein Leichnam in einem dunklen, sparsam verzierten Sarg lag, über den das Wolf-und-Sterne-Banner der Eddons gebreitet war, sang der Trauerchor die Totenklage, und Sisel sagte all das Gute, das man über Tote zu sagen hatte. Olin, der gerechte Herrscher, Olin, der Beschützer seines Volkes, Olin, der Diplomat — Vansen dachte, dass der Hierarch über ihn sprach, als wäre er einer der unsterblichen Trigonatsgötter. Er dachte, dass er lieber den Mann gekannt hätte, der Brionys, Barricks und Kendricks Vater gewesen war, der in ihrer aller Leben eine so wichtige Rolle gespielt hatte, aber das war nun nicht mehr möglich. Dieser Mann war sterblich gewesen, und jetzt war er tot. Jetzt war er nur noch eine Geschichte.
    Wenngleich die Furcht und Dankbarkeit der Betenden beständig Myriaden Stimmen in euren Ohren sind, o Brüder, die ihr auf dem heiligen Berge Xandos wohnt, höret uns doch und lasset eure Gnade walten, auf dass das Exil des guten Olin ein Ende habe und er heimkehre zu euch, sich auszuruhen von der Mühsal langen

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