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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ist eine. Sie zeigt Funderlingsstadt und alles, was darunter liegt, als ein einziges Rund. Wir blicken von oben darauf, wie vom Himmel, vermute ich mal, wenn da keine Burg und kein Fels wären, die uns den Blick versperren. Ist das richtig?«
    Chert nickte. »Die Mysterien sind nicht drauf und auch nicht die meisten von Sturmsteins Straßen, aber die sind ja auch geheim ...«
    »Ja, aber sehen würde ich nicht einmal das. Ich werde aus all dem einfach nicht schlau.«
    Chert lächelte. »Ich kann es Euch leicht erklären. Hier, die jeweilige Dicke der Linie zeigt die Ebene an, und diese Markierungen hier ...«
    »Nein, ich meine, ich werde nicht wirklich schlau draus. Ich kann es nicht mit euren Augen sehen, auch wenn ihr Funderlinge euch noch so sehr bemüht, es mir beizubringen. Bruder Antimon hat die halbe Nacht damit verbracht, mir immer wieder alles zu erklären, aber das ist, als wollte man einem Fisch das Waisentagsfest erklären.« Jetzt war sein Lächeln traurig, die Müdigkeit sichtbarer denn je. »Ihr habt viel Zeit an der Oberfläche verbracht, Chert, das weiß ich. Von allen hier unten wärt Ihr doch wohl am ehesten fähig, Karten zu zeichnen, die ein Oberirdler versteht. Würdet Ihr das für mich tun?« Er sah Chert an. »Es muss nicht perfekt sein. Ich brauche nicht jeden kleinsten Gang — obwohl ich auch darüber nicht böse wäre. Das Wichtigste ist, dass ich erkennen kann, wie nah die verschiedenen Gänge beieinander sind, und vor allem, welche über welchen liegen. Und auch, welche für jedermann passierbar sind und welche nur für Funderlinge. Dann kann ich Fragen stellen. Dann kann ich Entscheidungen treffen. Tut Ihr das für mich?«
    Es klang nach einer riesigen Aufgabe, aber Chert sah ein, wie wichtig es war. Und er könnte sie größtenteils, wenn nicht sogar ganz, in der Sicherheit des Tempels erledigen, sodass sich Opalia nicht allzu große Sorgen zu machen brauchte und er sie und den Jungen jeden Tag sehen würde.
    »Bis wann?«, fragte er. Er würde Zinnober davon in Kenntnis setzen müssen, für den Fall, dass Bruder Nickel Stunk machen würde, weil Chert die Tempelbibliothek benutzte.
    »Bis letztes Tagzehnt.« Vansen stand auf und streckte sich, wobei seine Gelenke so laut knackten, dass Chert es hörte. »Ich will sie, sobald sie fertig sind — nein, früher. Zeigt mir während der Arbeit, was Ihr schon habt. Und jetzt entschuldigt mich bitte, Freund Blauquarz, ich glaube, ich sollte Jaspis, Zinnober und die anderen finden, ehe sie noch etwas sagen, was uns die Qar wieder zum Feind macht.«
    »... Ich werde also tagsüber meist in der Bibliothek sein und vielleicht manchmal auch nachts, bis ich das für Hauptmann Vansen gemacht habe«, erklärte er Opalia. »Aber ein Gutteil der Arbeit kann ich auch hier erledigen, wenn ich die Bibliotheksbücher dazu nicht mehr brauche, denn ich bezweifle, dass Bruder Nickel mich die unterm Arm nach Hause tragen lässt.«
    »Nach Hause«, schnaubte Opalia. »Ich würde einen vollgestopften Raum im kalten, zugigen Tempel nicht gerade als Zuhause bezeichnen ... aber im Moment ist er wohl alles, was wir haben. Wenigstens brauchen wir ihn nicht mehr mit deinem Riesenfreund zu teilen.« Der »Riesenfreund« war Chaven, der nach Opalias Rückkehr ein anderes Quartier bezogen hatte.
    Chert war beruhigt. Solange Opalia sich beschwerte, war sie ... nun ja, wenn auch vielleicht nicht glücklich, so doch wenigstens einigermaßen bei Laune. »Tja, meine Einziggeliebte, den wahrhaft noblen Charakter erkennt man daran, wie er Unbill erträgt.«
    »In diesem Fall muss ich sagen, wenn ich noch nobler werden soll, fange ich an zu schreien.« Sie sah ihn streng an. »Hast du noch Zeit, mit dem Jungen zu reden, ehe du zu deinen Kartenzeichenspielchen davonrennst? Er hat gesagt, du würdest es vielleicht verstehen, und falls das stimmt, kannst du mir's ja bitte erklären, weil ich es nämlich nicht verstehe.«
    »Was?«
    »Frag ihn. Er ist in Chavens Zimmer, den Gang runter.« Sie schüttelte den Strohsack zu einer ansprechenderen Konsistenz auf, aber ihr Gesicht sagte deutlich, dass kein Stroh der Welt jemals an ihr Schwalbenflaumbett zu Hause heranreichen würde. Es war ein Wunder, dass sie die Matratze nicht auf dem Rücken von Funderlingsstadt hierhergeschleppt hatte. »Ich habe nämlich selbst genug Arbeit.«
    Chert kannte diesen Ton und wusste, er tat gut daran, ihr Aufmerksamkeit zu schenken. »Gewiss, meine Liebe.« Er wartete, in der Hoffnung, dass sie

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