Das Herz
geben, Südmarksburg zu Hilfe zu kommen?
Sie stand vor ihrem Zelt und schärfte wütend ihre Yisti-Dolche, als sich ein hochgewachsener junger Soldat sichtlich nervös näherte. Sie wartete, aber er sagte auch dann nichts, als er ein paar Schritte vor ihr stehengeblieben war.
»Ja?«
Er schluckte. Trotz seiner Größe schien er kaum älter als sie. »Verzeihung, Hoheit«, sagte er, und es schien ihn seinen ganzen Atem zu kosten. Er schwieg abermals eine ganze Weile, bis er wieder Luft zum Sprechen hatte. »Jemand ... da ist jemand ... der Euch sprechen will. Hoheit.«
Sie bedachte ihn mit einem Blick, der besagen sollte, dass ihr das herzlich gleichgültig war, aber er war entweder zu dumm oder zu verängstigt, um es zu verstehen. Sie seufzte. »Wer? Wer will mir etwas sagen, das ich hören wollen könnte?«
Panik stand in seinem Gesicht, während er ihre Worte zu entschlüsseln versuchte.
»Um Zoriens willen, red schon, Mann. Wer will mich sprechen?«
»Der Kaufmann, Hoheit. Dard, der Kaufmann.«
Es dauerte einen Moment, bis ihr einfiel, wer das war. »Ach. Und wie kommst du dazu, den Boten für einen Gefangenen zu machen? Für einen Knecht des Autarchen noch dazu?«
Er schluckte wieder. »Knecht ...?«
»Wieso überbringst du diese Botschaft für ihn? Hat er dir eine Münze zugesteckt?« Sie hob die Augenbrauen. »Aha, hat er also, stimmt's? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Eneas davon sehr angetan ist.«
Der Bursche glotzte erschrocken. »Mein Vater ist tot«, erklärte er, vor Hast fast schon stotternd, »und meine Schwester kann nicht heiraten ohne ...«
Sie steckte den frischgeschärften Dolch in die Scheide und hob die Hand. »Genug, es interessiert mich, ehrlich gesagt, nicht sonderlich. Behalt deine Münze und führe mich zu ihm.«
Als der kleine Kaufmann den langen Soldaten mit einer zweiten Person auf das Gefangenengeviert zukommen sah, entfernte er sich von den anderen Gefangenen und schlenderte betont gemächlich zum Palisadenzaun.
»Gut, Soldat, du kannst jetzt gehen«, sagte Briony. »Aber sag mir noch deinen Namen.«
»N-n-namen?« Jetzt war es ein ausgewachsenes Stottern.
»Ich werde niemandem sagen, dass du Geld von einem Gefangenen genommen hast, aber vielleicht kannst du mir dafür eines Tages auch einen Gefallen tun. Wie heißt du?«
»A-Avros. Sie nennen mich ›Klein-Avros‹.« Er zuckte die Achseln. »Weil ich so groß bin.«
»Verstehe. Dann geh jetzt.«
Der Soldat war längst verschwunden, als Dard schließlich am Palisadenzaun angelangte. Briony zog ihr kleineres Messer hervor und begann, ihre Fingernägel zu reinigen. »Ihr habt einen Soldaten bestochen«, sagte sie. »Das wird dem Prinzen gar nicht gefallen.«
»Ihr werdet es ihm doch gewiss nicht sagen«, erwiderte Dard. »Dieser arme Bursche, der doch nur versucht, für seine hässliche Schwester eine Mitgift zusammenzukratzen ...«
»Genug. Was wollt Ihr?«
»Ich habe Euch erkannt.«
Briony musterte ihn einen Augenblick ausdruckslos, wandte sich dann wieder ihren Fingernägeln zu. »Jeder in diesem Lager weiß, wer ich bin. Stehlt Ihr mir die Zeit, nur um mir das zu sagen?«
»Nein, Prinzessin, ich will Euch nicht Eure Zeit stehlen, ganz und gar nicht. Ich möchte einen Handel mit Euch schließen.«
»Handel?« Sie blickte in die Gegend. »Alles, was Ihr hattet, Kaufmann, gehört jetzt Eneas. Was solltet Ihr noch zu bieten haben? Noch dazu mir?«
»Information.« Er lächelte. Er hatte nicht mehr alle Zähne, aber die, die er noch besaß, waren strahlend weiß. Sie war nicht weiter beeindruckt. »Ich weiß etwas, das Ihr sicher gern wüsstet.«
»Und warum sollte ich es nicht durch Prinz Eneas' Männer aus Euch herauspressen lassen wie Wasser aus einem Putzlappen?«
Dard ließ sich nicht einschüchtern. »Weil Ihr vielleicht nicht wollt, dass er es erfährt. Aber wenn Ihr wünscht, dass ich es zuerst ihm sage, tue ich es natürlich ...«
Sie nahm sich einen Moment Zeit, den Nagel ihres kleinen Fingers zu reinigen, steckte dann das Messer wieder in die versteckte Scheide. »Und was wollt Ihr im Tausch für diese Information, Kaufmann?«
»Die Freiheit. Das Geld, das ich bei diesem Unternehmen verloren habe, kann ich in einem halben Jahr wieder hereinholen — aber nicht als Gefangener. Die Söldner kann sich Eneas zu Diensten machen, aber für mich und meine Kaufmannsgenossen hat er keine Verwendung. Ich wollte doch nur meinen Lebensunterhalt verdienen, nicht in einem Krieg Partei ergreifen.« Er zuckte
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