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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Haar und den dunklen Hautton der Menschen von den Inseln südlich von Devonis hatte, wirkte nicht wie ein interessanter Geschichtenerzähler, sondern vielmehr wie ein besorgter, beklommener Mann, der sein Bestes tat, sich nichts anmerken zu lassen. Seine Späherkameraden, die wie er schäbige Kleider trugen, sodass sie alle zusammen eher wie eine Horde Wilderer denn wie irgendetwas Militärisches aussahen, hörten seinem Bericht schweigend zu.
    »Schrecklich viele«, sagte Belett. »Tausende — zehntausend mindestens, würd ich sagen, die, die in der Stadt einquartiert sind, noch gar nicht mitgerechnet. Im Hafen von Südmarkstadt liegen mehrere Dutzend Schiffe, von Koggen bis zu dreimastigen Rahseglern, und in der Bucht ankern noch etliche Galeassen. Sie beschießen die Burg — gestern Nachmittag und Abend, während wir dort waren, haben die Kanonen fast ununterbrochen gefeuert. Und wie's aussieht, haben sie die äußere Mauer schon an zwei Stellen eingerissen, aber die Verteidiger haben sie wieder instandgesetzt. Die Kanonen — bei Volios Starkarm, was müssen das für Riesendinger sein! Wir konnten sie von unserer Position aus nicht sehen, aber sie haben Flammen gespuckt wie der Berg Sarissa und sich angehört wie das Ende der Welt.«
    »Und es ist eindeutig die Armee des Autarchen?«
    Belett nickte. »Der verfluchte xixische Falke ist überall, Hoheit. Wir hätten nie gedacht, dass wir mal so viele sehen — es ist, wie sie's von Hierosol beschrieben haben.«
    »Und die Qar?«, fragte Briony.
    »Von denen ist nichts zu sehen.« Der Anführer der Späher blickte seine Männer an. Sie nickten zustimmend. »Vielleicht waren ja die, die wir getroffen haben, der Flügel einer Armee, die auf dem Rückzug ist.«
    Eneas sah skeptisch drein. »Vielleicht. Aber das macht ohnehin keinen großen Unterschied. Zehntausend Xixieri.«
    »Mehr, wenn die Späher sich nicht getäuscht haben«, sagte Helkis. »Wenn ein Teil in der Stadt kaserniert ist, vielleicht sogar doppelt so viele. Wie viele Männer könnte man in Südmarkstadt einquartieren, Prinzessin Briony?«
    »Viele.« Wie sollte Südmark es mit einer so riesigen Armee aufnehmen können? Und wenn der Autarch jetzt die Brennsbucht kontrollierte, war auch der letzte Versorgungsweg der Burg abgeschnitten. »Haben sie zurückgeschossen?«, fragte sie. »Die Verteidiger von Südmarksburg?«
    »Schwer zu sagen, Hoheit.« Belett brachte es nicht über sich, sie anzusehen; er sprach in den Raum zwischen Briony und dem Prinzen. »Wir haben ein paar Rauchfahnen auf den Mauern gesehen, aber das müssen kleinkalibrige Kanonen gewesen sein. So dumm, sich zur Zielscheibe zu machen, nur um ein paar Pfeile abzuschießen, ist da oben jedenfalls keiner.«
    Briony musste sich zusammenreißen, um nicht die Fragen zu stellen, die sie sich selbst beantworten konnte: Wenn der Autarch so viele Männer und so viele Waffen hatte, würde die Burg nicht lange standhalten können. Merolanna, Brionys Zofen Rose und Moina, Schwester Utta, der knurrige alte Brone — sie alle waren in höchster Gefahr.
    »Gegen eine solche Streitmacht haben wir keine Chance, Prinz Eneas«, sagte Helkis. »Die Männer werden Euch in jeden Kampf folgen, sie sind mutig und treu, aber sie verdienen Besseres, als in einen sinnlosen Tod geschickt zu werden — und sei es für die Ehre« — er sah Briony betont ausdruckslos an — »einer hohen Frau.«
    »Es geht hier nicht um meine Ehre, Graf«, setzte sie ärgerlich an, aber Eneas hob die Hand.
    »Friede — alle beide. Ich habe Prinzessin Briony versprochen, ihr zu helfen, und werde es natürlich tun. Aber sie erwartet gewiss nicht von mir, dass ich es auf törichte Weise tue, oder irre ich mich, Prinzessin?«
    »Natürlich nicht.« Aber die Implikation seiner Worte gefiel ihr gar nicht. Eneas und Graf Helkis schienen sich einig, dass sie gegen die Übermacht des Autarchen nichts tun konnten.
    Briony war zu wütend, um dabeizustehen und brav zuzuhören, wie der Prinz und seine Offiziere erörterten, was jetzt zu tun sei — in erster Linie offenbar ein sicheres Lager zu errichten. Es war klar, dass sie heute nichts Wesentliches unternehmen würden und wohl auch nicht morgen oder übermorgen — falls überhaupt je. Sie konnte es ihnen nicht verübeln, dass sie die Truppen des Autarchen nicht direkt angreifen wollten, aber sie hätten sich doch wohl schon mal Gedanken darüber machen können, wie sich die xixische Armee umgehen ließ. Es musste doch eine Möglichkeit

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