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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mal mehr dazu kam, die Hand zu heben. »Spielt keine Spielchen mit mir, junger Mann. Ich frage noch einmal — Okros?«
    Matty Kettelsmit rieb sich das Gesicht. Die Mächtigen von Südmark hatten alle panische Angst, so viel schien klar, und keiner von ihnen traute Hendon Tolly. Kettelsmit senkte die Stimme zu einem Beinahe-Flüstern, ehe er antwortete: »Er kam um, während er einen Befehl des Protektors ausführte.« Wie viel sollte er zu sagen wagen? »Es hatte mit einem magischen Spiegel zu tun ... und mit den Göttern. Ich habe es nicht mit angesehen.« Es gab keinen Grund zu erwähnen, dass Tolly ihn gezwungen hatte, das Ritual an Okros' Stelle zu vollziehen — dass er, Kettelsmit, um ein Haar dasselbe Schicksal erlitten hätte wie der Arzt, als er Hendon Tolly hatte helfen müssen, ins Land der schlafenden Götter hinüberzulangen.
    Fretup sah ihn verdutzt an. »Hexerei!«, sagte er und sah sich sofort um, ob ihn auch keiner der Wachsoldaten hören konnte. »Wusste ich's doch? Dieser Irre stürzt uns alle in den Untergang.« Wieder fixierten seine schlauen Augen den Dichter. »Ich weiß auch, dass Ihr mit meinem früheren Herrn, Avin Brone, zu tun habt. Streitet es gar nicht erst ab? Erzählt mir, was Brone vorhat. Hat er eine eigene Strategie, die Burg zu retten?«
    »Ich weiß es wirklich nicht, Lord Fretup. Er würde es mir niemals sagen.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.« Der Burgvogt dachte stirnrunzelnd nach. »Sagt Brone ... sagt ihm, sein alter Freund und Diener Tirnan wünscht ihm das Allerbeste. Sagt ihm, ich denke immer noch voller Respekt und Zuneigung an ihn, und ich ... ich würde mich gern seiner Weisheit unterstellen, wenn es darum geht, unser geliebtes Südmark zu retten. Bestellt ihm das wortwörtlich und sagt es sonst niemandem.«
    Kettelsmits Herz schlug schneller — er sollte Brone die Botschaft überbringen, dass der Vogt bereit sei, Hendon Tolly zu verraten! —, aber zu seinem eigenen Erstaunen schüttelte er den Kopf »Herr, der Protektor wird mich niemals so lange von seiner Seite weichen lassen, geschweige denn dulden, dass ich Brone aufsuche.«
    »Überlasst das mir«, sagte Fretup. »Ich werde etwas arrangieren, das Euch einen Vorwand liefert, so lange von Tolly wegzukommen, dass Ihr meine Botschaft überbringen könnt.«
    »Aber, mit Verlaub, Herr, warum sprecht Ihr nicht einfach selbst mit Brone? Ihr seid der Vogt — da habt Ihr doch sicher Gelegenheit genug?«
    »Weil einige meiner eigenen Leute Spitzel von Hendon sind, wenn ich auch nicht weiß, welche. Und weil andere Spitzel Brone beobachten. Er und ich, wir könnten uns niemals treffen, ohne dass jedes unserer Worte genauestens belauscht würde. Es wäre zu riskant. Nein, Ihr müsst es tun. Wenn Ihr es schafft, werdet Ihr in mir einen guten Freund haben. Wenn nicht — nun, ich gehe nicht allein aufs Schafott, Dichter.«
    Obwohl Kettelsmit erstmals so etwas wie einen Hoffnungsschimmer sah, Tolly und dem eben noch so unausweichlichen Tod durch die Hand des Lordprotektors zu entrinnen, überflutete ihn eine Welle der Empörung. Brone selbst, Tolly und jetzt Tirnan Fretup — keiner dachte sich irgendetwas dabei, Matthias Kettelsmits Leben für seine eigenen Pläne aufs Spiel zu setzen. Was war er denn schließlich anderes als ein nutzloser Dichter? Was sollte es sie schon kümmern, ob er im Dienste ihrer Machenschaften zu Tode kam?
    Laut sagte er natürlich nur: »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    Der Kanonendonner hielt an wie ein im Kreis ziehendes Wintergewitter.
    Vogt Fretup entschuldigte sich bald und ging, sodass Kettelsmit, abgesehen von den lautlosen Wachen und schleichenden Dienern, mit dem Protektor allein war. Hendon Tolly trank immer noch weiter, aber seine Wut war weg, und stattdessen war er jetzt in ein seltsames, tiefes Schweigen versunken.
    Kettelsmit lehnte diskret an einem Wandteppich, schlief fast im Stehen ein und überlegte gerade, ob er es wagen sollte, sich auf den Boden zu setzen, als der Protektor sich in seinem hochlehnigen Stuhl regte und im Zimmer umherblickte, bis er Kettelsmit gefunden hatte. »Komm her, Dichter.« Er zeigte auf den Boden zu seinen Füßen. »Setz dich.«
    Matty Kettelsmit ließ sich so weit vor diesen Füßen nieder, wie er sich irgend traute, damit der Protektor, sollte er beschließen, ihn zu schlagen, den Arm ein wenig strecken müsste, was den Schlag etwas abschwächen würde — er hatte während der Wochen in Tollys Gesellschaft einiges gelernt. Tollys Gesicht war jetzt nicht

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