Das Hexen-Amulett (German Edition)
verstohlen. «Im Inneren des Siegels steckt ein Kruzifix.»
«Wirklich?»
Ebenezer zeigte seinem Herrn die kleine, silberne Figur. «Das Parlament wird wohl wenig Gefallen daran haben.»
«Wahrscheinlich.» Sir Grenville lächelte und schenkte sich ein Glas Wein ein. «Mir würde es allerdings noch viel weniger gefallen, wenn die Siegel Aufmerksamkeit erregen. Nein, mein Junge. Aber das Gerücht, sie sei vom Papst geschickt, magst du getrost streuen. Ganz London wird sich empören.» Er steckte das Siegel des Apostels Matthäus in seine Tasche. «Du weißt, was zu tun ist?»
Ebenezer nickte. «Zuerst beschäftigt sich der Untersuchungsrichter mit ihr, dann die Geschworenen.»
«Genau.» Sir Grenville schob ihm einen Zettel zu. «Zieh diesen Mann zurate. Caleb Higbed. Ein tüchtiger Jurist. Auf ihn können wir uns verlassen. Gut!»
Die gute Stimmung, die er schon in Winchester an den Tag gelegt hatte, dauerte an. Sir Grenville kostete seinen Sieg aus. Er hatte im vergangenen Jahr große Ländereien erworben, doch keine hielt einem Vergleich mit Lazen Castle, seinem neuen Besitz, stand. Zwar hatten die Kanonen einigen Schaden angerichtet, doch das Neue Haus war auf wundersame Weise verschont geblieben. Bald, so dachte er, würde er sich zur Ruhe setzen können, und es gab kaum einen Ort, der als Alterssitz geeigneter wäre.
Zunächst aber galt es, seine Sache zum krönenden Abschluss zu bringen. Dem war er nun schon sehr nahe gekommen, denn die aus dem Norden Englands eintreffenden Nachrichten versprachen einen großen Sieg des Parlaments und der Schotten über die königstreuen Streitkräfte. Der Wind hatte sich gedreht und blies dem König nun auf dem Marston-Moor bei York mit brutaler Schärfe entgegen. Bald, so war abzusehen, würde auch York von den Rebellen eingenommen sein. Charles’ Königreich zerfiel schneller als erhofft.
Der Sieg stand unmittelbar bevor. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht betrat Sir Grenville das Neue Haus und ließ den Blick durch das prächtige, marmorne Treppenhaus schweifen. Obwohl schon jetzt ein reicher Mann, brauchte er das Vermögen aus dem Bund, das ihm Erträge versprach, die sämtliche Pachtzinsen aus all seinen Ländereien um ein Vielfaches übersteigen würden. Dem jungen Slythe stand zwar ein Anteil zu, aber er würde nie erfahren, wie hoch die Gesamteinkünfte in Wirklichkeit waren. An Oberst Fuller gewandt, fragte er: «Ist die Familie fort?»
«Nein, Sir Grenville. Wir haben Euch nicht so bald erwartet.»
Sir Grenville kicherte. Auf den marmornen Handlauf gestützt, hievte er seinen ungeschlachten Körper über die Treppe nach oben, warf den Kopf mit seinen weißen Engelslocken in den Nacken, um das Stuckwerk zu betrachten, und sagte: «Italienisch.»
«Wie bitte?»
«Italienisch, die Gipsarbeiten. Schön, sehr schön!»
«Ja, Sir.» Oberst Fuller hätte die Deckenpracht nur allzu gern von seinen Männern mit ihren Musketen zerschießen lassen, war aber ausdrücklich daran gehindert worden.
Sir Grenville Cony blieb auf halber Höhe stehen, drehte sich um und rief seinem Sekretär zu, der zusammen mit einem Leibwächter mit einigem Abstand folgte: «Ich sollte heiraten, John! Lazen Castle braucht eine Lady, nicht wahr?» Er lachte.
John Morse, der Conys Haltung gegenüber Frauen besser kannte als jeder andere, blieb verwundert stehen. «Heiraten?»
«Das wundert dich, was?» Sir Grenville kicherte. «Die Lazenders haben doch noch eine unverheiratete Tochter, nicht wahr, Oberst?»
«Ja, Sir. Caroline.»
«Ob sie mich wohl will?» Sir Grenville hustete vor Lachen. Seine Begleiter hatten ihn noch nie so gut gelaunt gesehen. «Sei’s drum. Was hätte ich mit einem mittellosen Mädchen zu schaffen?»
Sekretär und Leibwächter lachten.
Sir Grenville winkte mit der Hand. «Weiter, weiter! Veni, vidi, vici! »
Oberst Fuller, der im Unterschied zu Sir Grenville tatsächlich gekommen war, Lazen Castle gesehen und besiegt hatte, schritt voraus und öffnete die Tür zur Galerie.
«Sir Grenville?»
«Ah! Die Galerie. Ich habe schon viel davon gehört.» Er trat ein. «Wer seid Ihr?»
Lady Margaret, die mit ihrem Stickrahmen am Fenster saß, blickte auf. «Cony?»
Sir Grenville kicherte. «Ihr erkennt mich. Der Preis des Ruhms. Und Ihr seid, wie ich annehme, Lady Margaret Lazender? Gehört es sich nicht aufzustehen, wenn der Herr des Hauses eintritt?»
Lady Margaret, die Conys Froschgesicht schon durch den Garten hatte gehen sehen, antwortete nicht und
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