Das Hexenkloster
ein neues Zuhause bekommen.«
Der Satz schnitt in Kellys Inneres wie die Klingenspitze eines scharfen Messers. Es war eine Qual auf geistiger Ebene. »Was soll das heißen?«
»Oh, ganz einfach. Ich habe für dich einen Platz in meiner Welt reserviert.«
»Deine Welt?«
»Ja, die Welt der Hexen!«
Da war er wieder, dieser verdammte Ausspruch. Kelly hasste ihn, doch sie konnte ihm nicht entgegnen. In einem Anfall von Widerborstigkeit schlug sie beide Hände vors Gesicht. Sie wollte Assunga nicht mehr sehen und schüttelte den Kopf.
»Gibt dir keine Mühe, Kelly. Für dich besteht nur diese eine Möglichkeit. Das musst du mir glauben.«
»Ich will es nicht!«
»Du musst es aber!«
Kelly wusste in diesem Augenblick endgültig, dass man ihr keine Chance lassen würde. Sie nahm die Hände von ihrem Gesicht. Sie würde sich den Problemen stellen müssen. Es gab keinen anderen Ausweg.
Weit hatte sie sich nicht von dem Pfahl wegbewegt. Sie stand noch immer in seiner Nähe. Wenn sie nur einen Schritt zurückging, würde sie die Härte des Holzes in ihrem Rücken spüren.
Wieder blickten sich die beiden Frauen an. Kelly ahnte, dass Assunga etwas vorhatte, aber sie sagte ihr nichts. Dafür tat sie etwas anderes. Sie fasste die Brosche an, die die beiden Hälften des Mantels zusammenhielt und öffnete den Umgang, sodass Kelly einen Blick auf das Innere werfen konnte.
War die äußere Hülle dunkel oder schwarz, so sah sie jetzt das innen liegende gelbe Futter, das aussah wie dünnes Leder.
Dafür hatte sie kaum einen Blick. Etwas anderes nahm ihre Aufmerksamkeit mehr in Anspruch.
Assunga war unter dem Umhang nackt!
Kelly schaute gegen einen Körper ohne Makel, der den Vergleich mit dem Gesicht durchaus aufnehmen konnte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Der Anblick des Frauenkörpers hatte ihr den Atem und auch die Sprache verschlagen. Das sah nach einer perfekten Frau aus und nicht nach dem Anblick einer Hexe, wie Kelly sie sich vorgestellt hatte.
Sie musste schlucken. Der Speichel schmeckte bitter und schien mit einem Hexenkraut versetzt worden zu sein. Obwohl sie alles mit eigenen Augen sah und mitten in der Realität stand, war es ihr fast unmöglich, dies alles zu glauben.
»Gefalle ich dir?«, flüsterte Assunga.
Kelly nickte, ohne es eigentlich zu wollen. Dabei kam sie sich vor, als würde sich der Boden langsam öffnen.
»Du gefällst mir auch. Und wirklich, meine Freundin Marnie hat mir nicht zu viel versprochen. Du passt in meinen Reigen, das kann ich dir versprechen.«
Etwas strömte durch Kellys Adern. Das Blut musste sich erhitzt haben. Sie fühlte den dünnen Stoff auf ihrer nackten Haut und glaubte, dass er sich erwärmt hatte. In ihr Gesicht stieg das Blut ebenfalls. Vergessen war die lange Fesselung, sie hatte nur Augen für diese rothaarige Frau vor ihr, die sie in ihren Bann geschlagen hatte.
Wieder drang Assunga’s Stimme an ihre Ohren. Was sie sagte, klang wie ein Kompliment. »Ich nehme nicht jede, das kann ich dir schwören. Ich suche mir meine Freundinnen genau aus. Und ich kann dir sagen, dass Marnie Steel und die anderen Frauen nicht dazu gehören. Sie sind die willfährigen und perfekten Helferinnen. Dafür bin ich ihnen dankbar, und ich freue mich, dass sie dich geholt haben.« Assunga fuhr mit einer geschmeidigen Bewegung herum. Der Mantel hob mit seinem Saum leicht ab, sodass Kelly den Windzug spürte. »Ist das nicht so, meine Lieben?«
Die Frage galt nicht Kelly Turner. Sie war auch nicht ins Leere hineingesprochen worden, denn von Kelly ungesehen und ungehört waren aus den oberen Gefilden einige Frauen herabgestiegen.
Vier von ihnen zählte Kelly, und wer nicht genau hinschaute, der hätte sie auch für Vierlinge halten können, da sie allesamt die gleiche Kleidung übergestreift hatten. Genau so ein Kleid, wie es auch den Körper von Kelly Turner bedeckte und sich so eng an die Haut schmiegte.
In respektvoller Entfernung waren die vier Wärterinnen stehen geblieben, und sie gaben Assunga gemeinsam Antwort. »Ja, es ist so. Es ist, wie sie es sagte. Wir gehören dazu. Wir haben den Weg der Veränderung beschritten und werden irgendwann zu ihr kommen dürfen. Doch erst bist du an der Reihe.«
Kelly Turner wusste nicht, was sie noch denken sollte. Die Faszination war bei ihr verschwunden. Sie hatte sich nicht mehr so stark auf Assunga konzentriert, deshalb war sie aus deren Bann geraten, der ihr im Nachhinein nicht mal so unangenehm gewesen war. Sie konnte sich das
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