Das Hexenkreuz
Filomena einen kleinen
Kristallflakon. Darin schimmerte eine goldgelbe Flüssigkeit.
Bei seinem
Anblick verengten sich Emilias Augen. „Was ist das?“
„Das ist ein
Trunk, der dich sofort in einen tiefen Schlaf versetzen wird. Wenn mein Bruder
erscheint, um seine ehelichen Rechte einzufordern, wird er dich schlafend
vorfinden. Niemand vermag dich innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden
aufzuwecken. Ich kenne Carlo und seinen Anspruch. Er wird sich nicht an einer
schlafenden Frau vergreifen. Somit hättest du wenigstens diese erste Nacht für
dich gewonnen.“
„Ist dies
das Gebräu, das man uns schon in Rom verabreicht hat?“
„So ist es!“
Auffordernd hielt Filomena ihr das Fläschchen entgegen.
Entschlossen
streckte Emilia die Hand aus: „Gib ihn mir.“ Sie zog den kleinen Korken heraus,
setzte den Flakon an ihre Lippen und trank ihn leer. Es schmeckte süßlich.
Sie
erwartete alsbald von schläfriger Müdigkeit gepackt zu werden. Zunächst
breitete sich ein angenehmes Gefühl in ihrem Magen aus und erfasste in sanften
Wellen ihren gesamten Körper. Von Müdigkeit konnte keine Rede sein - im
Gegenteil: Ihre Sinne schärften sich und konzentrierten sich ganz auf die
Empfindungen ihres Körpers. Das Getränk schien sie geradezu zu elektrisieren.
Schlagartig wurde Emilia klar, was eben mit ihr geschah. Wutentbrannt stürzte
sie sich auf Filomena. „Du gemeine Schlange hast mich hintergangen! Dies war
gar kein Schlaftrunk, sondern der gleiche, den mir deine Mutter heute schon verabreicht
hat.“
Filomena war
ihrem Angriff geschickt ausgewichen und hatte den hohen Lehnsessel zwischen
sich und Emilia gebracht. Doch die Wirkung des Trunks setzte nun mit aller
Macht ein. Emilia sank auf den Sessel, während sie gegen die glühende Hitze
ankämpfte, die ihren Leib erfasst hatte. Der Verrat Filomenas und der damit
einhergehende Verlust einer vermeintlichen Verbündeten erschütterte sie. Er
entzog ihr den letzten Rückhalt, der noch zwischen ihr und der Leere gestanden
hatte. Erst jetzt fühlte sie sich von allen verlassen. Matt murmelte sie:
„Warum nur hast du das getan?“
„Ich habe es
für dich und für meinen Bruder getan“, entgegnete Filomena leidenschaftlich.
„Ich weiß, dass du ihn nach dieser Nacht lieben wirst. Ihr beide seid
füreinander bestimmt. Mein Bruder braucht eine Frau wie dich. Du bist stark. Ebenso
so stark wie meine Mutter!“
Verzweifelt
versuchte Emilia sich an ihrer Wut festzuklammern. Nach Beatrices Trunk war ihr
Bewusstsein ins süße Nirwana abgetaucht und sie war wie ein glücklicher
Schmetterling durch eine bunte Welt geschwebt. Dieses losgelöste Hochgefühl
ging ihr nun ab. Stattdessen driftete ihr Bewusstsein an der Oberfläche dahin.
Sie wusste, wer sie war und wo sie sich befand. Was von beidem erwies sich als
schlimmer? Sich in einem bodenlosen Traum zu verlieren, oder lediglich den
primitiven Teil ihrer Sinne zu wecken, der sie das Geschehen bewusst miterleben
ließ? Nur knapp widerstand sie dem Drang mit beiden Händen ihre plötzlich
schweren Brüste zu umfassen. Die Bedürfnisse ihrer erweckten Weiblichkeit
gewannen an Macht. Schon einmal hatte sie sich so gefühlt, doch damals bei Ferrante
hatte sie sich bewusst hineinfallen lassen. Nun dirigierte die Droge ihre Sinne
und ihr verräterischer Körper reagierte mit einer Gier, die sie beschämte. Mit
einem letzten Aufflackern ihres Willens gelang es Emilia, ihre Wut zu
kanalisieren: „Verschwinde von hier, Filomena. Ich will dich nie wieder sehen.“
Filomena
hatte Emilias Anstrengungen, sich nicht in den Auswirkungen des Trankes zu
verlieren, interessiert verfolgt. Nun nickte sie zufrieden und ging.
Als der
Herzog eine halbe Stunde später Emilias Gemach betrat, empfing ihn ein Bild
verwirrender Schönheit. Der Liebestrunk hatte endgültig Emilias Willen
unterjocht und die junge Frau konnte dem glühenden Verlangen ihres Körpers
nichts mehr entgegensetzen. Allein das heiße und primitive Sehnen nach einem
Mann beherrschte sie.
Sie hatte
sich jeglichen Schamgefühls begeben und das zarte Negligé abgestreift. Nackt
wie eine Odaliske, räkelte sie sich nun auf den seidenen Laken. Das warme Licht
der Kerzen zauberte goldene Reflexe auf ihre seidige Haut, und ihr gelöstes
Haar umfloss sie wie ein kostbarer Mantel. Der Herzog zögerte nicht. Er warf
seine Kleider ab und kam zu ihr.
Emilia
empfing ihn mit weichen Armen und hungrigen Lippen.
Mit festem Schritt betrat der Herzog am nächsten Morgen
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