Das Hexenkreuz
sollen das für Pläne sein, die für den
König von persönlichem Interesse sein könnten?“
„Die Antwort
darauf ist einfach: Meine Mutter möchte selbst über Italien herrschen…“
„Was?“
Emilia riss die Augen auf.
„Es ist
kompliziert und hat mit unserer weit verzweigten Verwandtschaft zu tun. Vorhin
hatte ich bereits erwähnt, dass meine Urgroßmutter, Maria Mazzarini, mit dem
Fürsten Colonna verheiratet war. In ihrer Jugend war jene Maria die erste große
Liebe des jungen Ludwigs XIV. gewesen.
„Jenem König
von Frankreich, den man den Sonnenkönig nennt?“, vergewisserte sich Emilia.
„Eben der.
Der junge König wollte meine Urgroßmutter sogar heiraten, doch Ludwigs Mutter,
Anna von Österreich, und ihr Mitregent, der Kardinal Mazarin, der gleichzeitig
Marias Onkel war, verhinderten dies. Ungefähr fünfundvierzig Jahre später hat
sich diese Geschichte wiederholt. Nur, dass sich der alternde französische
König mit fast sechzig Jahren unsterblich in die blutjunge Enkelin seiner
ersten Liebe Maria verliebte. Der Name des Mädchens war Angelica. Angelica und
der alternde König bekamen einen Sohn, der auf den Namen Ludovico getauft wurde.
Angelica starb bald nach der Geburt. Du musst wissen, dass dieser Ludovico…“ Filomena
legte eine Kunstpause ein. Ungeduldig wartete Emilia, dass sie fortfuhr. Etwas
an dieser Geschichte löste ein Gefühl in ihr aus, als würde eine Armee Ameisen
über ihren Rücken marschieren.
„…dass dieser
Ludovico, der Sohn des Sonnenkönigs, der Großvater meiner Mutter wurde“,
erklärte Filomena schlicht.
Stille
folgte. Filomena saß mit durchgedrücktem Rücken auf dem Hocker, die kleinen
Hände sittsam im Schoss gefaltet.
Emilia
raunte: „Aber… das würde ja bedeuten, dass Ludwig der XIV. dein Urgroßvater
gewesen ist?“
„Ja, in
meinen Adern fließt echtes Bourbonenblut“, erwiderte Filomena. Sie untermalte
ihre Aussage mit einer sarkastischen Grimasse. „Daher rührt auch der Größenwahn
meiner Mutter. Als Enkelin des großen französischen Sonnenkönigs erhebt sie
selbstverständlich Anspruch auf ihren eigenen Thron.“
„Das ist ein
Scherz“, hauchte Emilia.
„Ich wollte,
es wäre so. Ganz so abwegig ist ihr Ansinnen gar nicht. Sie hat alles seit
Jahren geplant und sich die Unterstützung mächtiger Verbündeter im In- und
Ausland gesichert. Mit Hilfe der Regenten Europas besteht durchaus die
Möglichkeit, dass ihr Plan aufgeht. Erste Erfolge kann meine Mutter bereits verbuchen:
Die existenziellen Schwierigkeiten des Jesuitenordens gehen zum größten Teil
auf ihr Konto“, erläuterte die kleine Nonne.
Emilia
schüttelte den Kopf: „Politische Ränkespiele sind so gar nicht meine
Angelegenheit“, gestand sie. „Sag, wie könnte der Sturz der Jesuiten ihr zur
Krone Italiens verhelfen?“
„Das ist gar
nicht so schwer nachzuvollziehen. Portugal, Spanien, Parma und Frankreich, mit
seinem alternden König Ludwig XV., haben sich in den letzten Jahren als die
ärgsten Feinde der Jesuiten erwiesen. Die Herrscher dieser Länder haben den
Orden bereits verboten. Alle diese Herrscher haben etwas gemeinsam. Denk nach,
dann kommst du von selbst darauf.“
Emilia
bedauerte nun, dass sich ihr Lerneifer stets in Grenzen gehalten hatte.
Plötzlich hatte sie eine Eingebung: „Bourbonen! Alle diese Herrscher sind
Bourbonen!“
„So ist
es!“, bestätigte Filomena und fuhr in ihren Erläuterungen fort: „Meine Mutter
und die berühmte Marquise Pompadour haben in Frankreich lange Jahre gemeinsam
das generelle Verbot des Ordens durch den Papst vorangetrieben.“
„Entschuldige“,
unterbrach Emilia. „Wer soll diese Madame Pompadour sein? Der Name sagt mir
nichts.“
„Na, die
Favoritin des französischen Königs Ludwig, seine Mätresse natürlich“,
antwortete die kleine Nonne verdutzt. „Sag, gibt es keinen Klatsch im
Hinterland der Abruzzen?“
„Schon, aber
keinen französischen “, erwiderte Emilia spitz.
„Verzeih,
ich wollte dir keinesfalls zu nahe treten“, versicherte Filomena. In ihrem
Mundwinkel zuckte es leicht. „Die Marquise, sie ist vor einigen Jahren
gestorben, war eine Jugendfreundin meiner Mutter und hatte enormen politischen
Einfluss auf den König. Sie hasste die Jesuiten, weil sie sich geweigert haben,
ihr die Absolution zu erteilen - mit der Begründung, sie wäre dem König in
Sünde verbunden. Mehrere einflussreiche Gruppierungen unterstützten ihr Vorhaben,
allen voran die Freimaurer und die beginnende
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