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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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für etwas
grämen, dass dir selbst Freude bereitet hat? Der Trank war schwach und sollte
nur deine Sinne wecken. Seine Wirkung dürfte nicht lange angehalten haben,
höchstens zwei Stunden. Der Rest der Nacht, das warst du selbst, Emilia!
Ehrlich, ich kann dir deine Zufriedenheit ansehen, ich kann sie sogar riechen.“
Sie beugte sich zu Emilia und fächelte sich mit der Hand Luft zu, als würde sie
ein neues Parfüm testen.
    Emilia
schnappte nach Luft, allerdings vor Empörung. Filomenas schamloses Benehmen
hatte etwas Verstörendes.
    „Eben bin
ich meinem Bruder begegnet. Weißt du, wie er aussah? Als hätte er eine große
Schlacht siegreich beendet. Du musst deine Sache wirklich sehr gut gemacht
haben, Schwägerin. Ich habe ihn lange nicht mehr in so guter Laune erlebt“,
fuhr Filomena in ihrem einseitigen Dialog fort. Er brachte ihr ein weiteres
wildes Funkeln von Emilia ein. Filomena biss sich auf die Lippe, als wollte sie
sich ein Lächeln verkneifen. „Also gut, dann beschimpfe mich eben, wenn dir so
sehr danach ist“, forderte sie sie unverblümt auf.
    „Ich will
dich nicht beschimpfen, ich will, dass du endlich von hier verschwindest und
mich in Ruhe lässt“, giftete Emilia.
    „Nun gut,
wie es der gnädigen Frau Herzogin genehm ist“, erwiderte Filomena gewollt
blasiert und erhob sich. Merkwürdigerweise fühlte Emilia einen kleinen
irrationalen Stich der Enttäuschung, weil Filomena derart rasch eingelenkt
hatte. Den Porzellanknauf der Türe in der Hand, drehte sich ihre frisch
gebackene Schwägerin nochmals zu ihr um: „Leider wirst du nun nie den wahren
Grund erfahren, warum dich meine Mutter tatsächlich hat entführen lassen.“
    „Ach ja? Ich
dachte, das läge an meinem famosen Stammbaum?“, spöttelte Emilia.
    „Natürlich hat
das Savoyen-Blut dabei eine Rolle gespielt“, erwiderte Filomena und ließ den
Türknauf los. „Doch der eigentliche Grund war die Prophezeiung.“
    „Aha, jetzt
also eine Prophezeiung. Welche bitte schön?“
    Filomena
reagierte darauf mit Verblüffung: „Das musst du doch wissen! Jener, die bei
deiner Geburt verlautbart wurde“, sprudelte sie hervor.
    Emilia
benötigte mehrere Sekunden, bis die Erkenntnis in ihrem Verstand andockte. Ihr
Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln: „Ha, da hat sich deine Mutter aber
gründlich aufs Glatteis führen lassen. Es gibt keine Prophezeiung, die meine
Person betrifft.“
    „Ach nein?
Und was ist mit jener, die die Seherin in der Stunde ihres Todes verkündet
hat?“ Filomena fixierte Emilia mit einem lauernden Ausdruck, der die braune Sanftheit
ihrer Augen Lügen strafte.
    „Ach so,
diese meinst du. Du spielst auf die letzten Worte der alten Serafina an. Diese
absurde Prophezeiung hat damals tatsächlich die Runde gemacht. Aber sie galt
nicht mir, sondern meinem Zwillingsbruder Emanuele“, erwiderte Emilia mit einer
achtlosen Geste, die anzeigte, dass sie selbst diese Prophezeiung für eine
Albernheit hielt. „Wirklich, es fällt mir schwer zu glauben, dass deine Mutter
die Worte der alten Serafina derart fehlinterpretiert hat.“ Doch Emilia freute
sich darüber, der Herzoginmutter damit ein ungewolltes Schnippchen geschlagen
zu haben. Selbst die kleinsten Gaben waren ihr willkommen.
    „Aha“,
machte Filomena und ein listiger Ausdruck trat in ihre Augen. „Kannst du dich
auch noch an den genauen Wortlaut erinnern?“, fragte sie.
    „Hmm, lass
mich überlegen. Ich glaube, er ging so…“ Langsam dozierte sie: Das Kind, das
dem Grafenpaar in der Stunde meines Todes geboren wird, geht einem großen
Schicksal entgegen. Dereinst wird es die gesamte christliche Welt in ihren
Grundfesten erzittern lassen, und den Sturz des mächtigsten Pfeilers der Kirche
herbeiführen ...
    Emilia sah
Filomena an. „Und?“
    Ihre
Schwägerin erwiderte den Blick mit weit geöffneten Augen. Unmissverständlich lag
die Aufforderung darin, noch einmal ganz genau über die verlautbarten Worte
nachzudenken.
    Tatsächlich
stutzte Emilia. „Nein“, wehrte sie dann ab. „Das wäre zu absurd! Außerdem hat
mein Vater die Prophezeiung ebenfalls nicht ernst genommen. Und Emanuele hat
die Worte auch in Zweifel gezogen.“
    „Nun, meine
Liebe, ihr habt die Prophezeiung nicht richtig zu deuten gewusst. Darin ist von
einem `Kind´ die Rede. Ihr seid wie alle Welt demselben Denkfehler erlegen. Er
resultiert aus dem Selbstverständnis unserer patriarchalischen Gesellschaft, in
der alles, was von Bedeutung sein könnte, einem Manne zugeordnet

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