Das Hexenkreuz
durchaus
nachvollziehen, warum das Haupt des Königs sich gerne darauf bettete. Emilia
ahnte sofort, dass es sich hier um die Gräfin Du Barry handeln musste, der
erklärten Favoritin und selbst erst kürzlich bei Hofe vorgestellt. Sie war eine
blendende Erscheinung, selbst an einem Hof, der schöne Frauen gewohnt war. Doch
in diesem Augenblick wirkte sie mehr wie eine Frau, die sich eben noch ihrer vollkommenen
Schönheit sicher gewesen war und nun leider hatte feststellen müssen, dass sie
von einer anderen mühelos in den Schatten gedrängt worden war.
„Ihr seid die Sensation von Versailles, Herzogin“, vernahm Emilia hinter sich eine ihr
unbekannte, näselnde Stimme. “Ganz Paris spricht von Eurer Schönheit und Eurem
Charme und wie sehr Ihr seine Majestät verzaubert habt. Seht Ihr dort, gleich
hinter dem König, die Favoritin? Sie zieht ein Gesicht, als hätte sie
Apfelessig getrunken. Ihr bekommt ihr nicht. Oh, Ihr habt gar köstliche
Schultern“, näselte die Stimme weiter. „Und die Rundung Eurer Hüfte ist wie
eine kostbare Geige, auf der ich allzu gerne spielen würde…“ Vertraulich hatte
der Unbekannte seinen Arm um ihre Taille geschlungen. Soviel dreiste
Unverschämtheit war Emilia selten begegnet. Der König war inzwischen mit seiner
Entourage weitergezogen und Carlo hatte sich einige Meter von ihr entfernt, um
mit einem unanständig dicken Mann zu sprechen, dessen Bauch die diamantenen
Knöpfe seiner gelben Weste zu sprengen drohte.
Emilia
kannte den Unverschämten nicht, der sie derart vertraulich an sich drückte. Wie
alle bei Hofe glänzte er durch prächtige Kleidung, hatte es ihrer Meinung nach
aber zu sehr mit Schönheitspflästerchen übertrieben. Da er keine Anstalten
zeigte, sie loszulassen sondern sie stattdessen dreist auf die nackte Schulter
küsste, schlug sie ihm mit dem Fächer tüchtig auf die Finger, entwand sich ihm
mit einer geschickten Drehung und trat einen Schritt zurück. Der Mann wirkte
nicht im Geringsten verlegen. Nun verneigte er sich vor ihr, so dass seine
kunstvolle braune Perücke beinahe den Boden streifte: „Graf von Sainte-Foix,
Euch zu Diensten, schönste aller Damen.“
„Oh nein,
lieber Graf“, gesellte sich ein weiterer, kaum minder prächtig in braunem Samt
und mit goldenen Schleifen dekorierter Herr hinzu, dessen Perücke ihm in
kleinen Löckchen auf die Schulter rieselte. „Ich lasse nicht zu, dass Ihr Euch
die Herzogin unter den Nagel reißt. Ich habe sie zuerst entdeckt!“, sagte er
mit erhobenem Zeigefinger. Staunend bemerkte Emilia, dass er goldenen Lack
darauf aufgetragen hatte.
„Ha, aber
ich habe sie zuerst angesprochen, lieber Herzog! Überlasst das Feld also
mir.“
„Niemals!
Bin ich nicht der Ältere und schlägt der Herzogstitel nicht den Grafen?“, warf
er sich in die Brust. „Geht einen Punsch trinken, seid so gut.“
„Hört nicht
auf diese beiden Unwürdigen, schönste Emilia“, sagte eine dritte Stimme mit
Hakennase, diesmal in grünem Samt, und Emilia sah sich endgültig umzingelt.
„Schenkt mir diesen Tanz.“ Der Mann streckte fordernd die Hand aus und Emilia
fiel sein Siegelring auf. Eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss .
Wo hatte sie einen ähnlichen Ring schon einmal gesehen? Graf Bramante,
natürlich! War sie bisher nur unangenehm berührt gewesen durch die geballte
Aufdringlichkeit, so befiel sie nun eine vage Beunruhigung. „Leider muss die
Herzogin von Pescara sie alle miteinander enttäuschen, edle Herren“, mischte
sich der zurückgekehrte Herzog ein. „Ihr werdet sicherlich nachvollziehen
können, dass der erste Tanz dem eigenen Gemahl gebührt.“ Emilia, die den
Schlagabtausch der drei Höflinge mit einiger Verblüffung verfolgt hatte, atmete
auf. Die Gegenwart des Herzogs erschien ihr allemal erstrebenswerter als das
dreiste Verhalten dieser Höflinge, die sie wie einen Gegenstand behandelt und
zwischen sich hin- und hergeschubst hatten.
Der Herzog
führte sie auf die Tanzfläche. „Begreifst du nun?“, sagte er dicht an ihrem
Ohr. „Diese Leute sind durch das Hofleben degeneriert und haben nur ihre
Vergnügungen im Kopf, die sie mit hübschen kleinen Intrigen garnieren, um sich
damit gegenseitig das Leben zu erschweren. Allein die strenge höfische Etikette
hält sie im Zaum. Mein Urgroßvater hat diese eingeführt. Durch die Fronde, die
er in seiner Kindheit erleben musste hat er begriffen, dass er die Adeligen
unbedingt bändigen und an sich ketten muss. Er hat sie mit den
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