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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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starrte
Emilia an, als erläge sie einer Halluzination.
    „Auf ein
Wort, Madame“, sagte Emilia und näherte sich ihr forsch. Nur für die Ohren der
Favoritin bestimmt, flüsterte sie: „Ich würde Euch gerne alleine treffen“, und
laut: „Ich bewundere Euer Kleid. Mir scheint, wir teilen dieselben Vorlieben
für die Farbe Blau?“
    „Vielleicht
teilen wir ja auch denselben Schneider?“, entgegnete die Du Barry
zurückhaltend, während es hinter ihrer hohen Stirn kräftig arbeitete. Was
wollte die Italienerin von ihr? Ihr tatsächlich die Gunst des König
streitig machen, wie Maupeou, der neue Kanzler, es ihr gegenüber angedeutet
hatte? Jedenfalls war ihre Neugier geweckt, da die Herzogin scheinbar Wert
darauf legte, mit ihr vertraulich zu sprechen. Ein Unterfangen, das sich als nicht
einfach erweisen würde. Aus Erfahrung wusste sie, dass in Versailles sämtliche
Wände über Ohren und Augen verfügten.
    „Ich komme
auf Euch zu“, flüsterte sie nun hinter vorgehaltenem Fächer, während sie
vorgab, Emilias Geschmeide zu begutachten. „Ich bewundere Eure Saphire. Eine
wundervolle Arbeit. Sicherlich die Handschrift der Herren Bohemer und
Bassange?“
    „Leider, ich
bin noch zu kurz in Paris, um alle Namen richtig einordnen zu können. Aber
sicherlich ist Euer Urteil zutreffend, Gräfin. Mein Gemahl hat sie mir erst
heute überreicht. Sagt, verehrte Gräfin, stammt Euer Geschmeide ebenfalls von
den genannten Herren? Niemals habe ich ein so schönes Collier wie das Eure
gesehen.“ Es war kein Geheimnis, wie sehr die Du Barry kostbaren Schmuck
liebte. Angeblich legte sie sich sogar mit ihm schlafen. Die Favoritin berührte
die Kette und ein zufriedenes Lächeln stahl sich in ihr Gesicht: „Der König hat
geruht, sie mir zu schenken.“
    Nach diesem
Austausch von Artigkeiten gab Emilia vor, kurz ihre Frisur zu ordnen und
verabschiedete sich dann. Bevor sie das Kabinett verließ, sah sie sich um, ob
die Luft rein wäre. Das Krokodil war nirgends zu sehen. Rasch schlüpfte sie
hinaus. Sie hatte Mesdames Adélaide und Louise entdeckt, die ältlichen und
unverheirateten Schwestern seiner Majestät. Abgesehen von ihrer kleinen, ihnen
ergebenen Entourage mied der Rest der Höflinge sie wie eine gefährliche Klippe,
die es zu umschiffen galt. Emilia hatte sagen gehört, dass sich erstere
hauptsächlich durch zunehmende Boshaftigkeit auszeichnete, während zweitere so
fromm war, dass die Höflinge bereits darauf wetteten, dass sie bald in ein Kloster
eintreten würde. Sie hoffte, sich im Bannkreis der ältlichen Matronen weiteren
Attacken wild gewordener Höflinge entziehen zu können.
    Kaum eine
halbe Stunde später näherte sich Emilia ein sehr junges Mädchen in rosa Seide
und steckte ihr ein kleines Billet zu. Emilia wollte sich eben nach einem ruhigen
Plätzchen umsehen, um es zu lesen, als der Herzog zurückkehrte und sie am
Ellbogen fasste: „Du siehst zufrieden aus. Hast du dich gut amüsiert?“
    Hastig verbarg
Emilia das Billet in den Falten ihres Kleides. Hatte der Herzog etwas bemerkt?
Eher unwahrscheinlich, doch sie musste unbedingt lernen, ihre Gefühle nicht für
jedermann sichtbar zur Schau zu tragen. Sie lächelte süßlich und sagte:
„Mesdames Adélaide und Louise waren so freundlich und haben geruht, mir während
Eurer Abwesenheit Asyl zu gewähren.“
    „Die
Schwestern des Königs sind keine schlechte Gesellschaft. Ich freue mich, dass
du die Nähe unserer Familie suchst.“
    Carlo führte
sie sodann zu Tisch. Das Dinner dauerte geschlagene drei Stunden. Erst danach
ergab sich für Emilia die Möglichkeit die Zeilen zu lesen. Sie ergaben, dass
sie sich bis zum nächsten Tag gedulden musste. Die Favoritin hatte den
Zeitpunkt - sechs Uhr morgens - gut gewählt. Um diese Zeit erhob sich Ludwig
XV. zu seinem Tagwerk. Das Ende seiner Nachtruhe, das Lever, wurde mit großem
Zeremoniell betrieben und folgte einem komplizierten An- und Auskleideritual.
Der König führte ein öffentliches Leben, das auch nicht vor den intimsten
Momenten halt machte: Die Verdauung seiner Majestät war ein fester Bestandteil
dieses Rituals: Mit aufrichtiger Anteilnahme verfolgten die Höflinge täglich
neu - sobald er auf dem chaise percée Platz genommen hatte -, ob seiner
Majestät das vorabendliche Mahl bekommen war. Herzog Carlo war eingeladen
worden, wie Dutzende weiterer Adelige auch, um der Morgentoilette seiner
Majestät beizuwohnen. Nachdem Carlo sie bei Morgengrauen verlassen hatte, rief
Emilia Odette.

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