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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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zurücklegen zu dürfen. Was sie nun beinahe bereute, da eben jene
delikaten Stellen durch den Ritt kaum zur Ruhe kamen. Offenbar erforderte die
Liebe, ebenso wie das Reiten oder Fechten, eine gewisse Übung, um ihren Körper
in dieser neuen Disziplin hinreichend zu stählen. Die Kutsche mit Odette und
Carlos persönlichem Kammerdiener Fragoletto - was wortwörtlich Erdbeerchen bedeutete,
obwohl seine bullige Gestalt eher einem deformierten Kürbis glich -, hatten sie
zusammen mit ihrem beträchtlichen Gepäck vorausgeschickt. So fanden sie alles
für ihren Einzug bereit, als sie in Carlos angestammtem Appartement in
Versailles eintrafen.
    Für Emilias
zweiten Auftritt bei Hofe hatte ihr Gemahl für sie eine Robe aus himmelblauen Seidentaft
gewählt, deren Rock über und über mit Diamanten bestickt war. Bei jedem ihrer
Schritte sandten sie Lichtblitze aus, als hätte das Kleid das Sternenlicht
selbst eingefangen. Dazu hatte er das angekündigte Geschmeide in Form eines
Colliers mit in Diamanten gefassten Saphiren beigesteuert. Mit sichtlichem
Besitzerstolz hatte er es ihr eigenhändig um den Hals gelegt. Armbänder, Ohrringe
und ein Diadem vervollständigten das kostbare Geschmeide. „Der Schmuck einer
Königin“, sagte Carlo, als er zurücktrat und ihre Erscheinung mit Kennerblick
begutachtete. „Dieser Farbton ist wie für dich geschaffen. Du siehst aus wie
die Zauberfee aus dem Märchen, meine Liebe. Die anderen Damen werden in deiner Gegenwart
verblassen und der König wird nur Augen für dich haben.“
    Am Arm des
Herzogs betrat Emilia den großen Salon. Der König hatte das Ballett selbst
geschwänzt und im kleinen Kreis diniert. Er wurde in frühestens einer Stunde
erwartet.
    Schließlich
war es soweit. Der Lakai an der Flügeltür verkündete laut: „Sa Majesté, le Roi
Louis.“
    Der König
betrat den Saal. Gemessen nach beiden Seiten nickend, bewegte er sich durch die
Menge und nahm die Huldigungen seiner Untertanen entgegen. Emilia sah unwillkürlich
zu ihrem Gemahl. Mit einem geradezu hungrigen Ausdruck verfolgte er den
Auftritt des Königs. Wie der gesamte Hof schien er in eine Art Bann gefallen zu
sein, der alle erfasst hatte, sobald Ludwig XV. an der Schwelle zum Saal erschienen
war. Ein jeder hatte eine unmerkliche Bewegung zum König hin gemacht, sich gestrafft,
den Rücken durchgedrückt, das Kinn erhoben, um dann umso tiefer in seiner Verbeugung
oder Referenz zu versinken, sobald der König ihn auf seiner Bahn passierte. Der
König war ihr Pol und jeder einzelne schlug wie ein Magnet in seine Richtung
aus. Der König herrscht allein! Überall im Schloss Versailles fand sich
dieser Spruch auf Wandteppichen verewigt. War es das, wonach sich ihr Gemahl so
sehr sehnte? Der Mittelpunkt einer oberflächlichen Welt zu sein, die allein ihn
zum Fixstern auserkoren hatte? Kriechende Höflinge, deren einziger Gedanke am Morgen
beim Erwachen war, wie er heute die Aufmerksamkeit des Königs auf sich lenken
konnte, einen Vorteil gewinnen, eine Gefälligkeit erringen?
    Aufmerksam
sah sich seine Majestät nun um, seinem umhergleitenden Blick entging dabei
nichts. Wie stets war er auf das Königlichste gekleidet: Sein knielanger blauer
Samtrock war ebenso mit Goldfäden durchwirkt wie seine weißseidenen Strümpfe
und die Brokatweste zierten Knöpfe aus Louis d´or. Auch die Absätze seiner
hohen Schuhe waren vergoldet. Nachdem der König den gesamten Saal in sich
aufgenommen hatte, bei sich Anwesende und Nichtanwesende registriert hatte,
schwenkte er von seiner Bahn ab und schritt direkt auf Emilia und den Herzog
zu. „Aber da sind ja meine lieben Verwandten aus Italien“, rief seine Majestät
aus. „Teuerste Herzogin Emilia. Wir sind entzückt.“ Emilia versank in einen
Hofknicks, der zu einem wahren Wunder an Anmut und Grazie geriet. „Herzog Carlo“,
wandte sich der König an diesen. „Ihr nennt ein wahres Kleinod Euer Eigen, um
das Euch selbst der König beneidet.“ Emilia erhob sich und erhaschte über die
Schulter des nicht sehr großen Königs hinweg den Blick auf eine bildschöne blonde
junge Frau. Sie war direkt hinter dem König zum Stehen gekommen und zerpflückte
nervös ihren Fächer, ein filigranes Wunderwerk chinesischer Kunstfertigkeit. Auch
sie war in eine prächtige hellblaue Robe gewandet. Ein herrlicher
Diamantschmuck rieselte in ihr blendendweißes Dekolleté, das ihren wahrhaft spektakulären
Busen fast bis auf die Warzen enthüllte. Bei diesem Anblick konnte man

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