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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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ureigensten und
primitivsten Instinkten geködert. Brot und Spiele, diese Kombination hat schon im
alten Rom funktioniert.“
    „Verzeiht,
was meint Ihr genau mit Fronde ? Ich weiß, im Prinzip bedeutet es eine
Schleuder, aber mir erschließt sich hier der Zusammenhang nicht ganz.?“
    In des
Herzogs Stirn grub sich eine tiefe Falte: „Du scheinst wenig bewandert in der
Geschichte meiner Familie zu sein. Dabei hatte ich Filomena extra beauftragt,
dich darin zu unterrichten.“
    „Ich bin
sicher, dass sie es mir erklärt hat“, erwiderte Emilia leichthin. „Aber ich
fürchte, dass ich keine sehr gelehrige Schülerin gewesen bin“, nahm sie
Filomena in Schutz.
    „Immerhin
hast du gute Fortschritte in der französischen Sprache erzielt. Nun gut. Als Fronde
bezeichnet man die Aufstände zwischen 1648 bis 1653. Die Aufständischen trugen
als Erkennungszeichen eine Schleuder am Gürtel, daher die Bezeichnung. Zu
Beginn der Fronde war mein Urgroßvater, Ludwig XIV., gerade zehn Jahre alt. Er war
gezwungen mit seiner Mutter, der Regentin Anna von Österreich, nach St. Germain
zu flüchten. Der Haupträdelsführer war der Prinz von Condé. Es gelang ihm, das
Volk und Teile des Hochadels gegen den jungen Dauphin aufzuwiegeln. 1653 konnte
er Paris einnehmen, doch dann nahmen die Pariser Bürger die Sache selbst in die
Hand und erhoben sich gegen Prinz Condé. Der Dauphin und seine Mutter kehrten
nach Paris zurück. Der junge Ludwig hat daraus gelernt. Er hat den
widerspenstigen Adel gezähmt, in dem er seine Diener gegen Adelige ausgetauscht
hat. Mit Kalkül hat er diese übersättigten, gefallsüchtigen und geschwätzigen
Höflinge erschaffen, deren einziger Ehrgeiz darin besteht, von seiner Majestät
bemerkt zu werden und das Privileg zu ergattern, ihm sein Hemd zu reichen,
seine Kerze zu halten oder in seiner Gegenwart sitzen zu dürfen. Wisst Ihr, was
der Sonnenkönig selbst dazu geschrieben hat? Carlo zitierte: „ Im Übrigen ist
es eine der hervorragendsten Wirkungen unserer Macht, einer Sache, die an sich
keinen Wert hat, einen unbezahlbaren Preis zuzuordnen.“ Hätte es für Emilia
noch einer Bestätigung bedurft, wie sehr Carlo selbst nach eben dieser Macht
strebte, so zeigten es ihr seine Stimme und sein Ausdruck in diesem Augenblick
unmissverständlich an. Die Wirkung der Droge Macht, die ihm seine Mutter
Beatrice seit dem Tag seiner Geburt eingeflößt hatte, hatte ihn vergiftet und würde
niemals nachlassen.
    Der Tanz war
zu Ende. Ein ziemlich hässlicher Mann, dessen Haar einmal rot gewesen sein
musste und nun einem fahlen Karottengelb gewichen war, näherte sich ihnen mit
energischen Schritten. „Herzog Carlo, ich muss Euch sofort sprechen.“
    „Meine
Liebe, darf ich Euch Étienne-Francois de Choiseul d´Amboise, Außenminister
seiner Majestät und unser erster Fürsprecher bei Hofe vorstellen?“ Emilia reichte
ihm die Hand und sagte: „Ich bin erfreut, endlich den berühmten Duc de Choiseul
kennenzulernen. Doch ich habe verstanden, dass Euch dringende Geschäfte rufen.
Ich überlasse also dieses Feld Euch.“ Sie zog sich mit einem Knicks zurück und
folgte ohne Umschweife der Bahn Madame Du Barrys, der Favoritin des Königs. Sie
hatte zufällig erspäht, dass diese im Begriff stand, den Saal zu verlassen. Der
aufdringliche Höfling von vorhin hatte sie auf eine neue Idee gebracht. Ihr
Instinkt hatte sie nicht getrogen. Die Favoritin steuerte tatsächlich ein den
Damen vorbehaltenes Kabinett an. Leider hing eine raschelnde Traube von Damen
an der Favoritin. Aus dem Augenwinkel sah Emilia bereits wieder die samtgrüne
Hakennase mit dem Schlangenring auf sich zusteuern. Offenbar hatte er wie ein
Krokodil in einer Ecke auf seine Beute gelauert. Emilia beschleunigte
leichtfüßig ihren Schritt und entwischte ihm, indem sie die Türe des Kabinetts direkt
vor seiner Nase zuschlug.
    Ungefähr
zwanzig Damen drängten sich auf engem Raum. Dieser war wie ein Schmuckkästchen
mit rotem Samt ausgeschlagen und auf halber Höhe rundherum verspiegelt. In der
Mitte reihten sich zierliche Chaiselongues wie eine goldene Kette aneinander.
Mehrere Damen hatten sich darauf bequem niedergelassen und ihre Schuhe
ausgezogen. Der Raum war angefüllt mit dem Duft von Parfüm, Puder und
Geschwätz. Bei Emilias Erscheinen verstummten sofort alle Gespräche und ihr begegneten
überraschte, neugierige und hämische Gesichter. Sensationslust legte sich wie eine
Wolke über sie. Die Favoritin selbst wandte sich vom Spiegel ab und

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