Das Hexenkreuz
meinen Monatsfluss
bekommen. Warum bist du hier? Solltest du nicht längst in der Schule sein?“
„Ich habe
heute mit Filomena getauscht. Was in Gottes Namen ist das denn?“, stieß
Serafina hervor. Ihre Adleraugen hatten den Holzpenis entdeckt. Er musste aus
dem Bett gefallen sein und lugte nun mit der verräterischen Spitze halb darunter
hervor.
„Nein!“,
rief Emilia und sprang darauf zu. Zu spät. Serafina hatte es bereits aufgehoben
und starrte den Penis an, als glaubte sie nicht, was sie sah. Endlich kniff sie
die Augen zusammen und meinte: „So ist das also. Sicher ein Produkt unserer
unvergleichlichen Künstlerin Filomena?“
Emilia war
auf das Bett gesunken und blinzelte ihre Freundin von unten herauf an. Was kam
jetzt? Moralpredigt? Trotzig reckte sie ihren Kopf.
In Serafinas
Gesicht zuckte es und dann brach sie in brüllendes Gelächter aus. Sie warf sich
neben Emilia auf das Bett und lachte und lachte, bis sie nach Luft japsen
musste. Clara spitzte aus dem anschließenden Badekabinett. „Alles in Ordnung?“,
erkundigte sie sich besorgt.
Serafina
hatte den Holzpenis wie ein Taschenspieler in ihrem Rock verschwinden lassen.
„Alles gut“, rief sie erstickt und rappelte sich auf.
„Euer Bad
ist bereit, Herrin“, verkündete Clara. „Soll ich Euch das Haar waschen?“
„Das
übernehme ich“, meinte Serafina und leise zu Emilia: „Du musst mir alles
erzählen.“
XIV
Es war noch sehr früh am Morgen. Noch drang nicht die Spur
von Tageslicht durch die schweren Samtportieren ihrer Gemächer. Monate waren
seit Francescos Abreise vergangen.
Hinter
Emilia lag eine schlaflose Nacht. Das Feuer im Kamin war lange erloschen und
der Raum roch nach kalter Asche. Sie hätte nach einem Bediensteten läuten
können, der das Feuer frisch schürte. Doch Emilia wollte keine Minute dieses
anbrechenden Tages vergeuden.
Am späten
Abend hatte sie gespürt, dass Emanuele eine tiefe seelische Erschütterung
erlitten hatte. Diese besondere Verbindung zwischen ihnen hatte schon immer
bestanden. Ihre Phantasie hatte sie daher wachgehalten und ihr die
schrecklichsten Dinge vorgegaukelt, die geschehen sein konnten. Sie hatte vor,
Emanuele vor der ersten Messe aufzusuchen. Womöglich brauchte er sie. Mit
steifen Gliedern stieg sie aus dem Bett und kleidete sich rasch an. Dann begab
sie sich in das Kinderzimmer nebenan, um nach Ludovico zu sehen. In seinem
Zimmer herrschte wohlige Wärme. Ein Bediensteter hielt das Feuer die ganze
Nacht über im Gang. Der Winter war quasi über Nacht über Rom hereingebrochen
und hatte stürmische Winde und Schnee mit sich gebracht. Die Römer oder
vielmehr ihre Kinder waren darüber völlig aus dem Häuschen.
Ihr Sohn
schlief friedlich in seiner Wiege, den Daumen im Mund geborgen. Die Amme regte
sich bei Emilias Eintreten. Gähnend wälzte sie sich von ihrer Schlafstatt und
stopfte verstohlen einige gelöste Haarsträhnen unter ihre Haube zurück. Sie
begrüßte ihre Herrin mit schlaftrunkener Stimme: „Guten Morgen, Durchlaucht.
Frau Herzogin sind sehr früh auf heute.“
Emilia
beugte sich über die Wiege. Sie fand Ludovicos Bäckchen etwas rot. Doch dies
konnte auch am Licht liegen, da man für die Nacht nur einen kleinen Leuchter
brennen ließ. Trotzdem fühlte sie mit dem Handrücken die Stirn ihres Sohnes.
Die Amme trat näher. „Habt keine Sorge, Herrin. Der kleine Engel fühlt sich
beim Schlafen immer heiß an“, versicherte sie ihr.
Emilia
nickte und gab ihr kurze Anweisungen für den Tag. In der Halle traf sie auf
einen jungen Lakaien und bat ihn, sie auf ihrem Gang zu begleiten. Er half ihr,
sich in den mit Pelz gefütterten Umhang zu hüllen und öffnete dann das
Eingangsportal. Sofort schlug ihnen eisige Luft entgegen. In der Nacht hatte es
erneut zu schneien begonnen. Die Flocken fielen dicht an dicht und schienen
ihnen direkt aus dem Dämmerlicht der ersten Morgenstunde entgegenzuwirbeln. Auf
den Straßen hatte sich bereits ein zarter weißer Flaum gebildet. Emilia zog die
Kapuze ihres Umhangs über den Kopf. Instinktiv stemmte sie sich dem Wetter entgegen.
Doch der Weg
zu Emanuele wurde überflüssig. Aus dem Wirbel der Flocken kristallisierte sich
eine dunkle Gestalt heraus, die direkt auf sie zuhielt. Noch bevor sie die Züge
des Mannes erkannte, wusste Emilia, dass es sich um ihren Bruder handelte. Der
junge Diener, ein echtes Gewächs des Südens, schloss sichtlich erleichtert die
Tür.
Der Anblick
ihres Bruders zerriss Emilia das Herz.
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