Das Hexenmal: Roman (German Edition)
hatte sich hinter der angelehnten Zimmertür versteckt. Die Schwellung seiner Augenlider war zwar zurückgegangen, doch seine Wangen waren dicker als gewöhnlich. Auch die blauen Flecken in seinem Gesicht zeugten von den Schlägen. Da die Besucher ihn bei seinem Kommen neugierig angestarrt hatten, erklärte Barnabas ihnen, dass der Junge von Dieben auf dem Zeltplatz zusammengeschlagen worden sei. Mitfühlende Worte hatten Burghard die Schamesröte ins Gesicht getrieben.
»Wie könnt Ihr mit Bestimmtheit sagen, dass mein liebes Weib verhext worden ist?«, wollte der Ehemann der Kranken, Richter Tobias Kempten, nun wissen.
Mit strengem Blick sah Barnabas in die Runde, dann erklärte er: »Sie ist von Elben befallen …«, und als er die unausgesprochene Frage in den Gesichtern rings um ihn erkennen konnte, hob er die Lider der Kranken und fügte geheimnisvoll hinzu: »… von schwarzen Würmern – magische Plagegeister, die Eurem Weib das Blut aussaugen.«
Als Elfriede Kempten das hörte, weiteten sich ihre Augen angstvoll, und sie stieß einen spitzen Schrei aus, der den Anwesenden durch Mark und Bein ging. Ihr Oberkörper bäumte sich auf, doch Barnabas klopfte mit seinem Stock auf die Bettdecke und sagte: »Ruhig, gute Frau, bleibt ruhig und vertraut mir.«
Dann drückte er sie mit beiden Händen zurück in die Kissen. Doch Kemptens Frau ließ sich nicht beruhigen und schlug voller Panik um sich.
»Seht, die Würmer fressen sich durch ihr Gehirn!«, rief Servatius laut aus. Sogleich wurden die Augen der Kranken größer und ihre Schreie stetig lauter. Einige Anwesende drängten sich eilends aus der Stube des Richters, da sie befürchteten, dass der böse Zauber auch auf sie übergehen könne.
Plötzlich verdrehte die Kranke die Augen, sodass nur noch
das Weiße zu sehen war. Ihr Körper zuckte wild und erstarrte dann – sie war ohnmächtig geworden.
›Das läuft wie einstudiert‹, freute sich Barnabas heimlich.
»Helft meinem lieben Weibe! Ich flehe Euch an – helft ihr!«, jammerte der Richter, der theatralisch die Hände in die Höhe reckte und sich dann bekreuzigte.
Barnabas musste an sich halten, um nicht laut aufzulachen. Wieder einmal stellte er fest, wie dumm und wie leicht zu beeinflussen die Menschen waren.
»Eine böse Frau muss in Eurem Umfeld sein. Nur so können die Elben von Eurem Weib Besitz ergriffen haben. Eine Hexe, die mit dem Teufel im Bunde steht, ist Schuld an dieser schrecklichen Krankheit.«
»Wer kann das sein?«, fragte Servatius mit scheinheiligem Blick. Aus dem Flur schrie eine kreischende Stimme: »Das muss die Greta sein!«
Beifälliges Murmeln schwoll zu einem vielstimmigen Chor an.
»Jawohl, die Greta hat die arme Elfriede verhext!«
»Die Ackermann hatte schon immer diesen bösen Blick.«
»Ich habe ihr noch nie die Hand zum Gruße gegeben, aus Angst, dass sie nach meiner Seele greifen könnte!«
»Bitte, ihr guten Leute!« Barnabas legte, nachdem er festgestellt hatte, dass die Kranke ruhig atmete, seinen Stock auf ihre Brust, als ob das Holz magische Kräfte hätte. Dann hob er beschwörend die Hände.
»Es können auch mehrere Hexen unter Euch Schadenszauber verbreiten …«
»Nein, wir haben keine anderen bösen Frauen unter uns. Es ist Greta Ackermann aus Breitenbach. Ich weiß, dass sie sogar ihre Tochter verführt und sie dem Teufel versprochen hat!«
Barnabas wusste, dass er keine Frau nur nach dem Geschwätz der Leute der Hexerei bezichtigen durfte. Schnell konnten einige
unter ihnen ihre Meinung ändern und ihn des Betrugs anklagen. Deshalb musste er Beweise fingieren, um eine Beschuldigte der Hexerei überführen zu können.
Plötzlich drängte sich ein Bäuerlein, krummbuckelig und nicht größer als ein vierzehnjähriger Junge, die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Engstehende graue Augen, in denen ein listiger Ausdruck lag, musterten die kranke Frau. Das Gesicht des Alten war von tiefen Falten zerfurcht und vom Ungeziefer zerbissen.
Abwartend beobachtete der Magier den Mann. Ein penetranter Geruch ging von ihm aus und raubte den Umstehenden fast den Atem. Als Servatius ihn schon durch die Tür wieder aus dem Zimmer hinausdrängen wollte, kreischte der Bauer mit schriller Stimme: »Das war die Greta! Sie hat auch mein Pferd verhext, und jetzt lahmt es!«
»Die alte Mähre konnte noch nie gerade gehen, so dürr wie sie ist. Du gibst ihr zu wenig zu fressen, deshalb kann sie die Hufe nicht heben. Die Ackermann hat dir sicherlich auf die Finger
Weitere Kostenlose Bücher