Das Hexenmal: Roman (German Edition)
gehauen, als du unter ihren Rock greifen wolltest, Richard. Es ist bekannt, dass du es bei jedem Weib versuchst«, rief einer der Männer, der sich mit den anderen im Treppenhaus drängte, und alle lachten. Der Kopf des Buckligen schnellte herum, und seine grauen Augen suchten nach dem Rufer.
»Letzte Woche hat die Greta meinem Pferd auf den Arsch gehauen, und seitdem lahmt es – alles andere ist gelogen. Oder willst du, Robert, das bestreiten? Du hast doch gesehen, wie sie meinem Gaul einen Schlag versetzt hat.«
Robert lachte, aber er nickte.
»Das ist ja alles recht und schön, guter Mann«, meinte der Richter nervös und wandte sich an Barnabas, »aber was wird nun aus meiner Frau? Ein Pferd ist wohl nicht so wertvoll wie mein liebes Eheweib.«
Der Bauer wollte schon etwas erwidern, doch als er Barnabas’ Gesichtsausdruck sah, schwieg er.
»Morgen Mittag«, wandte sich der Zauberer an den Bauern, »werdet Ihr Euch mit Eurer Mähre an die Weggabelung nach Breitenbach stellen, so, dass die Sonne Euch ins Gesicht scheint. Die, bei der Ihr mit den Augen blinzelt, ist die Hexe. Nur sie kann den Schadenszauber aufheben. Damit Euer Weib, Herr Richter, bis dahin überlebt und die Elben sich nicht weiter an ihrem Blut laben können, werde ich Euch einen Trunk mischen, den Eure Frau fortan jede Stunde zu sich nehmen muss.«
Dankbar nahm der Richter die Hand des Magiers und küsste den Ring am Zeigefinger, als habe er einen kirchlichen Würdenträger vor sich.
Ehrfurchtsvolles Raunen begleitete Barnabas auf seinem Weg aus dem Krankenzimmer die Treppe hinunter bis zur Straße. Draußen angekommen, atmete er tief durch, um die stickige Luft, die er die letzte halbe Stunde über im Haus hatte einatmen müssen, aus seinen Lungen zu vertreiben.
Burghard und Servatius gesellten sich rechts und links an seine Seite und schritten über den Platz zum Unterdorf. Mehr als fünfzig Augenpaare begleiteten sie. Auch wenn die meisten froh waren, dass ein wahrer Hexenkenner ihnen helfen würde, so waren sie doch auch nicht unglücklich darüber, die drei Fremden von dannen gehen zu sehen.
Kapitel 26
Nachdem die massive Tür hinter Franziska ins Schloss gefallen war und eine der Wachen den großen Eisenschlüssel zweimal umgedreht hatte, stieg Hedwig von Wintzingerode müde die groben Steinstufen des Südwestturms nach oben, wo das Dunkel der Nacht sie erwartete.
›Zum Glück ist ihr Weinen verstummt‹, dachte die Freifrau,
als sie aus dem Verliesturm trat und den Hofplatz zum Wohnhaus überquerte. Pfarrer Lambrecht sowie ihr Gemahl Adolph Ernst von Wintzingerode wollten den wachhabenden Männern noch Anweisungen geben und ihr anschließend folgen. Weder die Wachen noch das Gesinde wussten, warum Franziska ins Verlies gesperrt worden war. Adolph Ernst war der Ansicht, dass sie es früh genug erfahren würden, denn er war sich sicher, dass die Gerüchte über das Mädchen auch bald bis auf den Berg gelangten.
Mittlerweile war es schon weit nach Mitternacht, und Hedwig fühlte sich erschöpft. Nicht nur die späte Stunde, auch die Vorbereitungen für den Aufenthalt des Mädchens und die unbeantworteten Fragen und Ängste hatten ihr Kraft geraubt. Sie konnte die Augen kaum noch offenhalten und ging sofort in ihr Gemach. An ruhigen Schlaf war allerdings nicht zu denken. Immer wieder schreckte sie aus ihren Träumen hoch und sah Franziskas ängstliche Augen vor sich.
»Solch ein zartes Wesen soll eine böse Frau sein und über andere Schadenszauber gelegt haben?«, hatte sie ungläubig ihren Mann Adolph Ernst gefragt, als sie am Fenster die Ankunft ihres Freundes Lutz Lambrecht und des Mädchens beobachteten. Der Freiherr hatte skeptisch die Achseln gehoben. Zwar hatten weder die Burgherrin noch ihr Gatte je eine Hexe zu Gesicht bekommen, doch dass Franziska keine war, schien ziemlich sicher zu sein. Ein Rest Zweifel blieb bei Hedwig dennoch bestehen, denn schließlich wusste man nie. Trotzdem war sie ihrem Mann dann zum Turm gefolgt, wo Lambrecht und das Mädchen in den Raum über dem eigentlichen Verlies auf sie warteten.
Hilflos und verängstigt hatte das Mädchen jeden der Reihe nach angeschaut, war dann einen Schritt auf die von Wintzingerode
zugetreten und hatte sich bei der Freifrau und Adolph Ernst mit einem Knicks für ihre Hilfe bedankt. Diese hilflose und verzweifelte Geste hatten Hedwig und Adolph in der Richtigkeit ihres Handelns bestärkt und letzte Bedenken ausgeräumt.
Hedwig von Wintzingerode
Weitere Kostenlose Bücher