Das Hexenmal: Roman (German Edition)
meinen Vorfahren wichtig, dass die Burg das Wappen der von Wintzingerode trägt. Einige wirtschafteten
unseren Besitz beinahe in Grund und Boden. Sie verschuldeten sich so hoch, dass manche der folgenden Generationen darunter zu leiden hatten. Auch mein Großvater Bertram von Wintzingerode haushaltete schlecht. Stets hatte er seine Not mit Schulden und Gläubigern. Nach seinem Tod führte seine Witwe die üble Wirtschaft weiter und warf das Geld zum Fenster hinaus … Es gab Zeiten, da war es fraglich, ob Burg Bodenstein unserem Geschlecht erhalten bliebe. Vielleicht bin ich deshalb Berthold so zugetan, denn auch ihm war die Burg wichtig, und deshalb verwaltete er den Besitz redlich«, sagte der Freiherr. Seine Erregung war aus seinen Worten herauszuhören.
Nachdenklich fuhr Adolph Ernst mit seinen Fingern über das Familiensiegel aus Wachs. Dann ergriff er die Hand seiner Frau und sah ihr in die Augen: »Ich verspreche dir, Hedwig, und unserem ungeborenen Kind, dafür Sorge zu tragen, dass wir niemals unseren Familienbesitz verlieren werden. Ebenso werde ich, genau wie mein Vorfahre Berthold, alles tun, dass stets der lutherische Glauben auf der Burg erhalten bleibt. Und um meinen Entschluss zu bekräftigen, werde ich auf Bodenstein eine Kapelle erbauen lassen. Ja, liebe Frau, das verspreche ich dir!«
Hedwig streichelte wortlos die Wange ihres Mannes. Sie wusste, dass ihm dieses Versprechen wichtig war.
›Gibt es einen schöneren Liebesbeweis?‹, dachte sie glücklich. Auch sie wollte ihren Teil beitragen, und so nahm sie sich vor, die Familiengeschichte der von Wintzingerodes aufzuschreiben und so für die Nachkommen zu erhalten.
Lutz Lambrecht spürte die Ernsthaftigkeit in den Worten seines Freundes. Er spürte aber auch, dass er nicht länger anwesend sein sollte, und verließ leise den Wohnsalon.
Am nächsten Morgen kamen Hedwig und Adolph Ernst gerade in dem Moment zum Westturm, als auch der Pfarrer die steile
Steintreppe hinunter zum Verlies steigen wollte. Die Freifrau hielt einen Krug warme Milch und ein Hefebrot in Händen, was Lambrecht lächelnd zur Kenntnis nahm.
Obwohl Hedwig keine Angst vor dem Mädchen hatte, drückte sie ihrem Mann das Essen in die Hand und blieb hinter ihm vor der eisernen Gittertür stehen. Die Wache grüßte förmlich, steckte den langen Eisenschlüssel ins Schlüsselloch und drehte ihn zweimal um. Das knarrende Geräusch hallte an den Steinwänden wider. Quietschend sprang die schwere Tür auf. Die Wache stellte sich innen neben die Tür und ließ den Pfarrer und den Freiherrn in den Kerker eintreten.
Franziska erhob sich verschlafen von ihrem Lager und rieb sich die Augen. Als sie die Männer erkannte, knickste sie, und Adolph Ernst reichte ihr das Essen, wofür sie sich bedankte. Sie setzte sich an das kleine Fenster, das eher einer Schießscharte glich, legte das Hefebrot in ihren Schoß und stellte den Krug Milch neben sich. Bevor sie ein Stück Brot abbrach, bekreuzigte sie sich. Erstaunt sah der Adlige den Pfarrer an, der ihm leise erklärte, dass Katholiken mit dieser Geste von Gott erbaten, dass ihnen nie das Brot ausgehen würde.
»Wie hast du geschlafen, mein Kind?«, fragte Lambrecht das Mädchen.
»Recht gut!«
»Ach ja?«, fragte der Freiherr verblüfft.
»Das freut mich«, schmunzelte der Pfarrer und erklärte: »Wir hatten befürchtet, dass du dich allein hier im Kerker ängstigen und deshalb kein Auge zumachen würdest.«
Zwischen zwei Bissen und einem Schluck Milch erklärte Franziska: »Ich war nicht allein. Sie ist bei mir geblieben und hat mir versichert, dass sie auf mich aufpasst. Deshalb habe ich mich nicht geängstigt.«
Fragend blickte Adolph Ernst zu Lambrecht, der nur mit den Achseln zuckte. Die Wachen verharrten reglos zu beiden Seiten
der Eisentür, so als ob sie weder etwas sehen noch etwas hören würden. Nur am Zucken ihrer Augenlider war zu erahnen, dass auch sie von Franziskas Aussage überrascht waren. Allerdings hatte der Freiherr ihnen unter Androhung schwerer Strafe befohlen, dass sie alles, was sich in diesem Raum abspielen würde, vergessen müssten und niemals ein Wort darüber verlieren dürften.
»Das verstehe ich nicht, liebes Kind. Wer war bei dir? Ich habe doch Anweisung gegeben, dass niemand zu dir vordringen darf«, erklärte Adolph Ernst scharf. Zornig sah er die Wächter an. Dann fiel sein Blick wieder auf Franziska. War das arme Mädchen vielleicht bereits nach so kurzer Zeit dem Wahnsinn
Weitere Kostenlose Bücher