Das Hexenmal: Roman (German Edition)
die Beine.
»Wo bin ich?«, fragte der Magier erschöpft. Servatius berichtete mit dramatischen Worten, was sich zugetragen hatte, und ließ dabei den Rat der Stadt nicht aus den Augen. Die Männer waren entsetzt dem Spektakel gefolgt und nickten bei Servatius’ Schilderung nun zustimmend. Niemand schien an dem, wovon sie eben Zeuge geworden waren, zu zweifeln, nur Burghard war nicht überzeugt.
Der junge Mönch stand verdeckt hinter einem Steinpfeiler. Man wies ihm bei peinlichen Verhören nur noch selten eine Aufgabe zu, und so konnte er die Anwesenden in Ruhe beobachten. Auch heute schien seine Gegenwart nicht vonnöten, aber Servatius hatte darauf bestanden, dass Burghard dabei war.
Seit der Züchtigung im Wald gehorchte der Junge seinem Lehrmeister wie ein räudiger Hund seinem Herrn und wagte nicht mehr, dessen Befehle zu hinterfragen.
Es hatte einige Zeit gedauert, bis Burghard erkannte, dass hinter Servatius’ freundlicher Fassade ein grimmiger, gewalttätiger Mann steckte. Eine Person, die weder bescheiden noch gottesfürchtig war.
Der junge Mönch hatte nun keinen Zweifel mehr, dass Servatius ein von Macht besessener Mensch war und den Namen seines Herrn nur aussprach, wenn er ihm Vorteile brachte. Der ältere Mönch war zudem geldgierig, was ihm als frommem Gottesdiener nicht gestattet war. Burghard hatte gesehen, wie er ein Säckchen mit Geldstücken versteckte, und ihn mehrfach dabei beobachtet, wenn er sein Vermögen zählte oder eine Münze hinzufügte. Dabei hatte Burghard einen sonderbaren Glanz in den Augen des Älteren bemerkt.
Auch über Barnabas grübelte der Junge oft nach. Er war überzeugt, dass der Magier von Servatius’ Geldgier wusste und sie
schamlos ausnutzte, denn alles, was Barnabas tat, geschah aus Berechnung. Nichts überließ er dem Zufall – so wie auch wenige Augenblicke zuvor bei der angeblichen Aufhebung des Schadenszaubers.
Seit der junge Mönch gehört hatte, dass es Männer gab, die sich gegen die Verfolgung von vermeintlichen Hexen aussprachen, raubte ihm dieses Wissen den Schlaf. Sein bisheriger Glauben war erschüttert worden. Doch noch wagte er nicht, darüber zu sprechen oder gar seine Begleiter spüren zu lassen, dass er ihr Verhalten hinterfragte, da er die unausweichlichen Folgen fürchtete.
Anfangs hatte der junge Mönch seinem Lehrmeister und dem Magier vertraut und war ihnen voller Begeisterung und Neugier gefolgt. Nie hatte er die Richtigkeit ihrer Worte oder ihres Handelns angezweifelt.
Neuerdings aber plagten den Jungen große Zweifel. Er hinterfragte alles kritisch und machte sich seine eigenen Gedanken.
Burghard hatte sofort durchschaut, dass der Magier den Anfall eben nur gespielt hatte – wie einstudiert hatte sein Verhalten gewirkt. Auch Servatius’ lüsterner Blick, als die Männer mit den Händen Greta Ackermanns Körper grob nach einem Hexenmal abgesucht hatten, war dem jungen Mönch nicht entgangen.
Burghards Gedanken wurden von der lauten Stimme des Theologen unterbrochen, die an den Wänden des Gewölbes widerhallte.
»Gebt Ihr zu, mit dem Teufel Unzucht getrieben zu haben?« Lauernde Augen beobachteten die Frau.
Barnabas hatte ihr einen weiteren Trunk verabreicht, der sie beruhigt hatte. Die Ackermann saß nun bewegungslos auf der Bank. Als sie jedoch Anstalten machte aufzustehen, sprangen die Folterknechte hinzu und hielten sie fest, wobei der Umhang
von ihren Schultern rutschte. Hämisch lachend ließ die Frau dies geschehen. Doch dann wehrte sie sich, keifte wie ein zänkisches Weib und bedachte den Theologen mit Schimpfwörtern. Erschrocken wich Eisenhut zurück und blickte zornig den Magier an. Barnabas versicherte ihm, dass das Wahrheitsserum in wenigen Augenblicken Wirkung zeigen würde.
Nur mit Mühe konnten die Folterknechte, deren Silhouetten sich gespenstig auf den Wänden abzeichneten, die Frau auf der Folterbank festhalten. Tatsächlich aber beruhigte sich Greta Ackermann nach einigen Minuten wieder, und Dr. Eisenhut wiederholte seine Frage.
Dieses Mal antwortete sie mit kindlicher Stimme: »Der Teufel hat mir Geld versprochen, wenn ich willig bin … Drei Geldstücke gab er mir.«
Sie hielt dem Theologen ihre geschlossene Hand entgegen. Dann öffnete sie sie langsam und sprach weiter: »Doch als ich wieder zu Hause war, haben sie sich in wertlose Tonscherben verwandelt.«
Ein irres Lachen ließ die Männer erschauern.
»Der anderen ihr Geld hat sich nicht verwandelt …«
Ein Raunen ging durch das
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