Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Fackeln, die in eisernen Halterungen an der glatt gehauenen Mauer steckten, hatte im Laufe der Zeit die Steine schwarz gefärbt. Mit den Fingerspitzen stützten die drei Männer sich an der kalten Steinwand ab, da die Treppe steil und gewunden nach unten führte.
Burghards Blessuren waren abgeheilt, und nichts zeugte mehr von der Gewalt, die Servatius ihm angetan hatte. Seit dem Vorfall ging der junge Mönch dem Älteren aus dem Weg. Barnabas beobachtete das mit Wohlwollen, denn Burghard suchte nun wieder die Nähe des Magiers.
Als sie den Kerker erreicht hatten, hörten sie die Gefangene fluchen, dann gingen ihre Worte in Weinen über und schließlich in Winseln.
Man hatte die Kleidung der als Hexe Angeklagten tags zuvor in Weihwasser getränkt und ihre Nahrung damit versetzt, weil sie bekennen sollte, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Doch Greta wies alle Vorwürfe zurück und bezeichnete sich als gottesfürchtige Frau.
Ihre achtjährige Adoptivtochter hatte das Unheil über sie gebracht, denn erst durch die Geschwätzigkeit des Kindes war sie als Hexe verdächtigt worden. Die Kleine hatte herumerzählt, dass die Mutter aus selbstgefertigten Wachsbildern wahrsagen könne. Nach der Festnahme der Ackermann wurde das Kind in die Obhut der Tante entlassen. Allein die Befragung der Adoptivtochter hätte ausgereicht, um Greta der Hexerei anzuklagen. Da aber weitere Personen die Frau bezichtigt hatten, Schadenszauber ausgeübt und somit Verderben über Mensch und Vieh gebracht zu haben, ahnte Greta, dass sie den Kerker nur noch einmal verlassen würde – auf dem Weg zum Scheiterhaufen.
Immer wieder brach die Frau in Tränen aus und wies die ihr vorgeworfenen Taten zurück. An diesem Ort interessierte es
jedoch niemanden mehr, dass sie all die Jahre eine ehrbare Frau gewesen war. Weil sie nicht gestehen wollte, brachte man sie zur peinlichen Befragung in die Folterkammer.
Der Stadtrat sowie der Notar Wilhelm Münzbacher, der alles zu protokollieren hatte, waren anwesend, als Theologe Dr. Eisenhut anordnete, dass man der Verdächtigen sämtliches Haar am Körper entfernen solle, um ein vermutetes Hexenmal sichtbar zu machen und versteckte Zaubermittel für einen Schweigezauber zu finden.
Nackt und frierend stand die Frau vor den Männern, die mit gierigem Blick und groben Händen jeden Zentimeter ihres Körpers absuchten. Bei den unsanften Berührungen löste sich ein angstvoller Schrei aus ihrer Kehle. Doch weder ein Stigma Diaboli noch ein verbotenes Mittel konnte bei ihr gefunden werden.
Bis jetzt hatte Barnabas teilnahmslos zugesehen und stumm gewartet. Er kannte die Vorgehensweise nur zu gut. Bei jedem Verdacht auf Hexerei gingen die Amts- und Kirchenmänner gleich vor. Auch hier konnte er zwei unterschiedliche Verhaltensweisen bei den Anwesenden erkennen. Da waren die Männer, die sich gern in der Öffentlichkeit als gottesfürchtig und gerecht darstellten, sich hinter verschlossenen Türen, wo sie mit Ihresgleichen zusammentrafen, jedoch als gierige Kreaturen entpuppten und es genossen, Macht über die wehrlosen Frauen auszuüben. Die übrigen schauten weg, duldeten jedoch das Verhalten der anderen und beriefen sich später darauf, nur ihre Pflicht getan zu haben.
Barnabas verachtete die Männer für ihre Schwäche. Außerdem war er erbost, dass sie ihn herbestellt hatten, obwohl sie zuerst mit eigenen Mitteln versuchen wollten, die Frau der Hexerei zu überführen.
Der Scharfrichter stand bereits in Lauerstellung und war bereit,
mit der Folter zu beginnen, da er nicht für seine Anwesenheit, sondern nach Aufwand entschädigt wurde. Je länger die Frau leugnete und je länger er sie quälen konnte, desto mehr verdiente er.
Görtteler war wie viele seiner Kollegen ein Meister der Tortur. An Leichen hatte er sich umfangreiches Wissen über den menschlichen Körper angeeignet und auf den Schlachthöfen geübt, wie tief er schneiden durfte, ohne zu töten. Er hatte genaue Kenntnis, welche Teile des Körpers abgetrennt werden konnten, ohne dass der gequälte Mensch verblutete. Ja, er kannte sich aus und würde den Tod der Angeklagten tunlich vermeiden. Er brauchte Geld, viel Geld – acht hungrige Mäuler galt es zu Hause zu stopfen, und das neunte Kind war unterwegs.
Abwartend und mit verkniffenem Gesichtsausdruck stand der Scharfrichter mit seinen Folterknechten bereit, als zu seinem Entsetzen der Schultheiß den Volksmagier zu sich rief, nachdem die Amtmänner sich untereinander
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