Das Hexenmal: Roman (German Edition)
besprochen hatten. Mit hasserfüllten Augen blitzte der Henker Barnabas an. Dieser wusste, dass der Scharfrichter ihn nicht gern in der Folterkammer sah, da er fürchtete, der Magier könne ihm die Arbeit und somit den Verdienst wegnehmen.
Barnabas ahnte, dass man ihn bitten würde, die Hexe zu überzeugen, den Schadenszauber von Mensch und Vieh, aber auch den Wetterzauber von Worbis fortzunehmen und somit die Menschen zu verschonen. Das sollte vor der peinlichen Befragung geschehen, da die Männer Angst hatten, Greta könnte an den Folgen der Tortur sterben. Dann wären, wie sie glaubten, alle Einwohner von Worbis bis zu ihrem Lebensende verflucht.
Mit angstvollen, weit aufgerissenen Augen blickte Greta Ackermann in Richtung des Magiers sowie der beiden Mönche.
Die Frau kauerte nackt mit angezogenen Beinen auf der Folterbank. Um ihre Blöße zu bedecken, nahm Barnabas seinen Umhang und legte ihn ihr über die Schulter.
Der Scharfrichter quittierte diese Geste mit einem abfälligen Wort, das der Magier jedoch ignorierte. Als Görtteler eine weitere gehässige Bemerkung fallen ließ, schaute Barnabas kurz zu ihm hinüber. Sein Blick ließ den Henker sogleich verstummen. Schadenfroh griente Servatius in Richtung der Folterknechte.
Obwohl es eisig kalt im Kellergewölbe war, woran auch ein großer Eisenkorb mit glühenden Kohlen nichts ändern konnte, lief Amtmann Löwenberg wieder der Schweiß über die Stirn. Vor Angst wurde er kurzatmig und fächerte sich mit seinem Taschentuch Luft zu. Kopfschüttelnd bemerkte Barnabas das merkwürdige Verhalten und prophezeite dem Mann im Stillen, dass er spätestens im nächsten Jahr unter der Erde liegen würde.
Dr. Eisenhut stand stumm und regungslos da. Er beobachtete den Magier genau und prägte sich jede seiner Gesten ein. Barnabas spürte die Augen des Theologen auf sich gerichtet und drehte ihm daraufhin den Rücken zu. Während Barnabas der Frau leise beschwörende Worte zuflüsterte, mischte er verschiedene Flüssigkeiten zusammen. Ängstlich sah Greta ihm zu. Mit ihrem kahl geschorenen Kopf wirkte sie unberührt und unschuldig – weder wie Mitte dreißig noch wie eine böse Frau. Plötzlich griff sie nach den Händen des Magiers und flüsterte: »Helft mir, dass ich kein Leid spüren werde!«
Beruhigend strich Barnabas ihr über die Stirn und fügte seiner Mischung ein weiteres Mittel hinzu. Dann gab er ihr das Gebräu zu trinken. Einige Minuten später wurde ihr Blick glasig und ihre Worte undeutlich. Sie wiegte ihren Oberkörper hin und her und summte eine eintönige Melodie.
»Seht, der Teufel hat Besitz von ihr genommen!«, flüsterte der Richter dem Amtmann zu.
So, dass es alle hören konnten, fragte Barnabas die Frau, ob sie Schadenszauber ausgeübt habe, doch anstatt zu antworten, lächelte sie nur dümmlich.
Barnabas sah sie mit kritischen Augen an. War etwas mit den Kräutern nicht in Ordnung? Normalerweise müsste die Mischung eine andere Wirkung zeigen, müsste die Frau sich anders verhalten. Das Gemisch, das er Wahrheitsserum nannte, war so zusammengesetzt, dass Greta für die nächsten Stunden in Trance fallen und willenlos auf jede Frage antworten würde. In der Nacht aber würde sie einen schnellen Tod finden und einfach zu atmen aufhören.
Barnabas fand keine Erklärung, was er falsch gemacht haben könnte. Während er noch überlegte, spürte er die brennenden Blicke der Umstehenden in seinem Rücken.
»Mein armes Weib, sie wird an den schwarzen Würmern sterben. Der Schadenszauber wird sie umbringen!«, hörte Barnabas im Hintergrund den Richter jammern.
Das würde nicht passieren, denn Barnabas hatte Elfriede Kempten bereits Stunden zuvor den heilenden Walnussbaumsud verabreicht. Doch jetzt brauchte er etwas Spektakuläres, damit die Männer zufrieden waren und ihm seinen Lohn ohne Murren aushändigen würden.
So senkte er der Frau das Haupt entgegen, woraufhin diese in seine grauen Haare griff und ihn zu sich herabzog. Es schien, als flüstere sie ihm etwas ins Ohr. Ein unheimliches Lachen war zu hören, als Barnabas sich aufrichtete und zu den Anwesenden umwandte. Er warf den Kopf in den Nacken und rief mit lauter Stimme, dass vor Schreck alle zusammenzuckten:
»Saga – Maga – Magella
Würmer ihr sollt mit mir fahren in den Wald
darin steht ein Baum kühl und kalt
dort hinein will ich euch versenken
dort hinein will ich euch ertränken.«
Dann sackte er scheinbar entkräftet zusammen. Sogleich half Servatius ihm wieder auf
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