Das Hexenmal: Roman (German Edition)
ihm versicherte, der Schadenszauber sei nun von seiner Frau genommen und dass er anderntags nochmals nach der Kranken sehen würde, küsste Kempten wieder ehrerbietig die Hand des Magiers, als würde er einem Bischof danken. Barnabas war zufrieden mit dem Verlauf der Dinge.
Langsam ließen die Folterknechte die gepeinigte Frau, an deren Füßen ein schweres Gewicht befestigt war, wieder zu Boden.
Man hatte ihre Hände zu Beginn hinter ihrem Rücken mit einem Strick zusammengebunden. Dieser wurde mit einem Seil verknüpft, das man dann durch einen Ring an der Decke geführt hatte. Durch wiederholtes langsames »Aufziehen« der Frau und mehrmaliges Fallenlassen hatte man Greta die Gelenke gestreckt und die Schulter ausgekugelt.
Nachdem der vor Schmerz stöhnenden Frau die Hände wieder losgebunden worden waren, flößte Barnabas ihr ein starkes Schmerzmittel ein.
Dieser Großmut war ungewöhnlich für den Magier, denn sonst tat er nie etwas ohne Lohn.
Allerdings würde er das Mittel dem Richter auf die Rechnung setzen, der sicherlich einen Betrag in jeglicher Höhe bezahlen würde – jetzt, da seine Frau auf dem Weg der Besserung war.
Dr. Eisenhuts Worte hingegen klangen zum wiederholten Male giftig und wütend, als er von Barnabas wissen wollte, welches Mittel er der Frau verabreiche.
»Wollt Ihr, dass die Frau Euch heute Nacht wegstirbt?«, fragte Barnabas mit kalter Stimme.
Das allerdings hoffte der Magier, denn nur so würde Greta Ackermann dem Feuertod entgehen.
Im Hinausgehen konnte Burghard sehen, wie Görtteler die blutverschmierten Daumenschrauben mit einem Lappen abwischte und ein Ledertuch darüberlegte.
Der Anblick des Folterwerkzeugs machte den Jungen krank. Es schauderte ihm auch vor seinem Bruder Servatius – vor dessen Blick, seiner Gestik und Haltung während der Folter.
Burghard fragte sich wieder einmal, welchem Zweck Servatius’ Anwesenheit bei der Tortur dienen sollte, denn er tat und sagte selten etwas. Auch musste er, seitdem sie mit dem Magier unterwegs waren, nur noch vereinzelt den Frauen die Beichte abnehmen. Die einzige Erklärung, die der junge Mönch fand, war jene, dass Servatius die Qualen der Frauen Vergnügen bereiteten.
Mit Abscheu hatte Burghard im Schein der glühenden Kohlen das Gesicht des älteren Mönchs beobachtet, der wie gebannt auf die Gefolterte gestarrt hatte. Seine Augen hatten einen freudigen Glanz bekommen, und er schien sich an dem Elend der gepeinigten Frau zu ergötzen. Seine sonst zusammengepressten, dünnen Lippen verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln, als Greta Ackermann vor Schmerzen aufschrie. Kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Oberlippe gebildet, die er sich wiederholt mit der Zunge ableckte. Seine Erregung schien sich zu steigern, je fester der Scharfrichter die Peitsche auf den Rücken der angeketteten Frau hatte niederprasseln lassen. Um nicht wollüstig aufzustöhnen, hatte Servatius sich in die Faust gebissen, bis Blut kam. Erst als er den metallischen Geschmack zu bemerken schien, hatten sich seine Gesichtszüge entspannt. Keuchend hatte er dagestanden, während sein Brustkorb sich rasch hob und senkte.
Angewidert hatte Burghard sich abgewendet und die Augen geschlossen. Dann war er fassungslos auf die Knie gesunken. Den Pfeiler im Rücken, kämpfte er mit seinem Ekel.
»Lieber Gott«, betete er leise, »wer kann mir helfen? Was kann ich tun, damit ich wieder ins Kloster zurückdarf?«
Plötzlich hatte eine Hand die Kapuze seiner Kutte gepackt und ihn wieder auf die Beine gezogen. Stechende Augen blickten ihn zornig an. Blut klebte an Servatius’ Mundwinkeln und gab ihm ein unheimliches Aussehen.
»Habe ich dir erlaubt, dich fortzubewegen, du unnützer Jammerlappen?« Dabei schüttelte er den Jungen und ließ ihn so plötzlich wieder los, dass er gegen den Pfeiler fiel.
»Ach, was soll ich mich mit solch einer unwürdigen Kreatur abgeben …« Als ein langgezogener Schrei die Mauern des Kerkergewölbes, die keinen Laut nach außen dringen ließen, erschütterte, drehte Servatius den Kopf entzückt in Richtung der Gefolterten: »Endlich … die Daumenschrauben …«
Wieder konnte Burghard das verräterische Glitzern in den Augen des Bruders erkennen. Der meinte verächtlich, an den Jüngern gewandt: »Wir sprechen uns später!«
Was das bedeuten würde, ahnte der Junge, und er glaubte, die Ohrfeigen schon auf seiner Wange spüren zu können.
Als Barnabas und Servatius in die »Silberne Rose« einkehren
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