Das Hexenmal: Roman (German Edition)
haben könnte?«
Zuerst erschrocken, dann wütend sah Johann seine Mutter an und verneinte.
»Woher weiß er dann von ihrem Mal?«
Johann zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht lügt er, und sie hat gar keines …«
»Du weißt also nicht, ob er die Wahrheit spricht?«
Johann wurde rot. Er schüttelte den Kopf. So weit es ihre
Verletzung zuließ, lächelte Annerose über die liebenswerte Unschuld ihres Sohnes.
»Glaubst du, dass du mich zu deinem Onkel begleiten kannst? Wir nehmen ein Pferd, damit es nicht zu anstrengend wird.« Johann nickte. Dann nahm er all seine Kraft zusammen und zog sich trotz starker Schmerzen die Kleider über. Als Annerose vom Boden aufstand, stöhnte sie leise auf. Ihr war übel, und in ihrem Kopf schien jemand auf einen Amboss zu hämmern. Doch sie nahm sich zusammen, und gemeinsam schleppten sich Mutter und Sohn die Treppe hinunter. Im Hausgang begegnete ihnen Karoline, die sie mit zusammengekniffenen Augen musterte.
»Bist du hingefallen, Mutter?« fragte das Mädchen, schien jedoch wenig überrascht, als diese verneinte.
»Dann wirst du es wohl verdient haben!«, meinte sie gefühllos und ging in Richtung Küche. Johann wollte wütend etwas erwidern, doch Annerose bedeutete ihm, ruhig zu sein.
»Es nützt nichts, Johann. Sie ist ihrem Vater sehr ähnlich, und das heißt leider nichts Gutes.«
Lutz Lambrecht war entsetzt über den Anblick seiner Schwester und ließ unverzüglich kalte Umschläge gegen die Schwellungen bringen. Anschließend trug er Arnikasalbe auf, die nach Schweineschmalz roch.
»Die Salbe macht die Haut weich, damit sie nicht spannt. Außerdem ist sie gut bei Blutergüssen. Hier, Annerose, reibe dir davon auch etwas in die Nasenhöhlen.«
Mit schmerzverzerrtem Gesicht trug sie die Heilsalbe auf alle wunden Stellen auf.
»Ich habe schon immer gewusst, dass Casper kein guter Mensch ist. Wenn er mir noch einmal unter die Augen tritt, werde ich vergessen, dass ich der Gewalt abgeschworen habe. Ich bin sicher, dass unser Herrgott es verstehen würde.«
»Lass gut sein, Lutz. Es geht jetzt nicht um mich, sondern um Johann und Franziska. Ich weiß, dass du uns sagen kannst, wo sie sich zurzeit aufhält … Ich konnte es am Zucken deines Augenlids erkennen, dass du Casper angelogen hast. Das hat dich schon verraten, als du noch ein kleiner Junge warst.«
Erstaunt sah Lambrecht seine Schwester an. Dann musste er herzhaft lachen.
Johann saß fassungslos auf seinem Stuhl und konnte nicht verstehen, was in den letzten Stunden passiert war. Annerose bemerkte den leidvollen Blick ihres Sohnes und wiederholte ihre Frage nach Franziskas Versteck.
»Ja, du hast Recht! Ich habe Franziska geholfen, vor deinem Mann zu fliehen, und sie in Sicherheit gebracht. Dort, wo sie jetzt ist, geht es ihr gut. Die Menschen glauben den Anschuldigungen Caspers nicht und kümmern sich um sie …«
»Onkel Lutz, sage mir bitte, wo sie ist, damit ich ihr folgen kann. Ich möchte bei ihr sein …«
»Ich kenne deine Gefühle für das Mädchen, und ich zweifle nicht an eurer Liebe. Doch es hat sich einiges geändert, mein Junge.«
Eindringlich sah er seinen Neffen an und erklärte: »Entscheidest du dich, zu ihr zu gehen, kannst du nie mehr zurückkehren. Dein Vater wird sie der Hexerei anklagen lassen und nicht eher ruhen, bis er sie auf dem Scheiterhaufen brennen sieht. Die Menschen glauben ihm und nicht dir und erst recht nicht dem Mädchen. Wenn sie Franziska finden, wird sie verurteilt werden. Hier zählt kein Recht oder Unrecht, sondern nur die Gier nach Bestrafung. Jeder, der unzufrieden ist, wird erzählen, dass Franziska Schadenszauber ausübte – sogar deine kleine Schwester wird gegen sie aussagen, ebenso eure Köchin Berta …«
»Woher willst du das wissen, Lutz? Karoline ist viel zu jung, um auf solche Gedanken zu kommen.«
»Sie hat Franziska bereits ins Gesicht gesagt, dass sie eine böse Frau sei.«
»Aber das ist nur dummes Kindergeschwätz!«
»Denke, was du möchtest, Annerose, aber Karoline ist das Ebenbild ihres Vaters, ganz im Gegensatz zu Johann …« Erschrocken sahen sich Mutter und Sohn an, doch Lambrecht fuhr fort, ohne die Blicke der beiden zu bemerken.
»Ich möchte damit nur sagen, dass man keinem Menschen vertrauen kann. Ihr dürft niemals erwähnen, wo sich Franziska aufhält, denn sonst wäre sie verloren. Dein Mann, Annerose, wird sogar versuchen, es aus dir herauszuprügeln, wenn er nur ahnt, dass du es wissen könntest.«
»Er weiß es
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