Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
Vom Netzwerk:
wusste, dass sie nur jetzt, in diesem Moment, darüber sprechen würde, später nie mehr.
    Wieder setzte sie sich zu ihrem Sohn aufs Bett und ergriff seine Hand, was er stumm geschehen ließ. Annerose fuhr sich
über die Augen, denn die Tränen wollten nicht versiegen. Als sie weitersprach, versuchte sie zu lächeln.
    »Wir haben uns das erste Mal auf einem Feldweg gesehen.
    Er kam mit seiner Schafherde aus Ferna. Ich hatte meinem Vater Essen aufs Feld gebracht und war auf dem Heimweg. Seine Augen waren das Erste, das mir an ihm auffiel. Als ich an ihm vorbeiging, zwinkerte er mir zu. Ich glaube, ich bin puterrot geworden.« Sie sprach mit ihrem Sohn so offen von ihren Gefühlen wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
    Johann erfuhr, dass sein Vater aus Mühlhausen stammte, der Sohn einfacher Bauern war und im Sommer als Schäfer arbeitete. Ebenso wie Bonner Franziska nicht tolerierte, hätte auch Anneroses Vater Johannes als Schwiegersohn nie und nimmer akzeptiert. Zumal vermögende junge Männer um die Tochter warben. So auch Casper Bonner. Annerose hatte bereits geahnt, dass ihr Glück mit Johannes nur von kurzer Dauer sein würde. Dann kam der Tag in einem Kornfeld bei Ferna, an dem sich alles veränderte, sich für sie alles veränderte. Voller Liebe gab sie sich Johannes hin, ohne die möglichen Folgen zu bedenken. Schon bald darauf wusste sie, dass sie ein Kind erwartete und sich entscheiden musste. Schweren Herzens sagte sie Johannes Lebewohl, aber der wollte davon nichts hören. Er versuchte sie zu überreden, mit ihm fortzugehen. Doch sie wusste, dass sie mit ihm ein einfaches Leben würde führen müssen, da der Vater ihr keine Mitgift geben und sie wahrscheinlich sogar verstoßen würde. Und sie getraute sich nicht, sich gegen den Vater zu stellen.
    »Als Frau eines Schäfers hat man nicht viel zu erwarten …«, entschuldigte Annerose ihre Entscheidung, »… schon gar nicht, wenn man auch noch für ein Kind sorgen muss.«
    Johannes flehte und drohte, doch sie blieb standhaft.
    »Und du hast ihm verschwiegen, dass du guter Hoffnung warst?«, wollte Johann wissen.
    Annerose ließ die Hand ihres Sohnes los und schlang die
Arme um den Körper. Alle Wärme schien aus ihr gewichen zu sein. Kälte kroch an ihren Beinen hoch und ließ sie erschaudern. Dann antwortete sie: »Johannes war ein Schäfer, der von einer Weide zur nächsten zog und unter einem Baum schlief. Wasser aus dem Bach trank und sich mit einem Apfel oder einem Stück trockenen Brots zufriedengab. Aber ich wollte mehr. Ein schönes Heim, schöne Kleider. Sonntags wollte ich in die Kirche gehen und mich danach an einen gedeckten Tisch setzen … und für mein Kind wollte ich das Gleiche. Das hätte Johannes mir nie bieten können. Deshalb sagte ich ihm nichts von dir, da ich wusste, dass er sonst beharrlich bleiben würde. Ich log ihn an, beteuerte, dass ich nicht mehr ihn, sondern einen anderen lieben und auch heiraten würde. Und so gab ich dem Werben des reichsten Bauern in der Gegend nach und heiratete Casper nur einen Monat später. Er sollte nie wissen, dass du nicht von ihm, sondern ein Kind der Liebe bist.«
    »Ich kann dich nicht verstehen, Mutter. Ist es das wert gewesen? Du hast ihn belogen und mich betrogen. Betrogen um einen Vater, der mich geliebt hätte …«
    »Ich weiß, Johann, glaube mir, ich habe mich all die Jahre immer wieder gefragt, ob es richtig war. Selbst als ich hörte, dass dein Vater tot ist …«
    Johann stöhnte auf. Eben hatte er von seinem Vater erfahren, und wenige Augenblicke später war alle Hoffnung, ihn je kennenzulernen, verflogen.
    »Woher willst du das wissen?« Johann hatte sich im Bett aufgesetzt.
    »Es war einige Wochen vor deiner Geburt, als im Dorf erzählt wurde, dass man einen erschlagenen Schäfer im Germeröder Felde gefunden hatte. Die Beschreibung des Schäfers passte genau auf deinen Vater. Seitdem plagt mich der Gedanke, dass er vielleicht noch leben könnte, wäre ich mit ihm gegangen …«
    Annerose schwieg. Alle Kraft hatte sie verlassen. Es war alles
gesagt worden – alles, was wichtig war für Johann, und für sie selbst. Johann starrte stumm zur Decke.
    Erschrocken fuhren beide zusammen, als die Tür aufgerissen wurde und Casper Bonner schwankend vor ihnen stand. Voller Angst sah Johann zu seiner Mutter, und beiden schien die gleiche Frage ins Gesicht geschrieben zu stehen. Hatte Bonner an der Tür gelauscht?
    Als der Bauer zu brüllen anfing, hörte Annerose nicht hin und schloss

Weitere Kostenlose Bücher