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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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hielt sich erschrocken den Mund zu.
    ›O Gott, was habe ich getan?‹, dachte sie bestürzt, als sie Johanns weit aufgerissenen Augen sah, die sie ungläubig anstarrten.
    »Sag, dass es nicht wahr ist!«, bat der Junge leise. Als seine Mutter nur stumm vor ihm saß, schrie er: »Gib zu, dass du lügst!«
    »Johann, bitte, hör mir zu und lass mich erklären«, bat Annerose verzweifelt und versuchte, ihren Sohn zu beruhigen. Doch Johann war außer sich und wollte ihr nicht zuhören.
    »Wie kannst du mir das antun? Was habe ich dir getan, dass du mich so bestrafst … Ich will nichts mehr von deinen Lügen hören. Ich will Franziska sehen, sie soll zu mir kommen …«
    Johann drehte den Kopf zur Seite und starrte auf die Wand. Die Mutter antwortete nicht. Liebend gern hätte sie ihrem Sohn über das Haupt gestreichelt, aber ihre Hände waren wie gelähmt. Wie um alles in der Welt hatte sie sich nur zu dieser Äußerung hinreißen lassen können?
    Zwanzig Jahre hatte sie ihr Geheimnis gehütet wie einen Schatz und sich geschworen, es mit ins Grab zu nehmen. Doch nun, für einen kurzen Moment, hatte das Gefühl der verpassten Liebe sie überrollt und rührselig werden lassen. Annerose hatte sich oft gefragt, wie Johann sich wohl verhalten würde, wenn er wüsste, dass Casper nicht sein Vater war. Zwar hatte sie gehofft, dass er eher froh darüber sein würde, da er Caspers grobschlächtige Art nie sonderlich gemocht hatte. Vielleicht sollte sie einfach sprechen, schließlich konnte Johann nicht weglaufen und musste ihr zuhören.
    »Johann, lass es mich erklären …«, versuchte sie es erneut.
    »Was willst du mir erklären? Dass du eine Ehebrecherin bist und ich ein Bastard?«
    Erschrocken sah Annerose ihn an. Solche Überlegungen hatte sie nie angestellt, und sie weigerte sich, dies jetzt zu tun. Was erlaubte sich Johann? Annerose brauchte einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen, denn die Vorwürfe hatten sie schwer getroffen. Nein, eine Ehebrecherin war sie nicht – und Johann ein Bastard? Sie presste die Augen fest zusammen, um die Tränen zu verdrängen.
    »Johann, das sind schwere Anschuldigungen, die so nicht stimmen.«
    Sie ließ sich von seiner abwehrenden Haltung nicht beirren. Doch als sie weitersprechen wollte, fuhr der Junge sie an: »Mutter, geh bitte! Ich will nichts mehr hören. Ich will Franziska sehen!« Für einen kurzen Augenblick schwieg er, dann sprach er weiter: »Und Karoline, ist sie auch ein Bastard? Wohl eher nicht, denn Vater liebt sie … Jetzt wird mir so manches klar … Zum Beispiel, warum er mich immer mit der Hundepeitsche gezüchtigt hat, schon wegen Kleinigkeiten. Aber ich kann ihn verstehen, auch ich würde einen Bastard so behandeln. Ich kann froh sein, dass er mir zu essen gegeben und mich nicht davongejagt hat …«
    »Schweig jetzt, Johann!«, befahl Annerose scharf. Da sie ihr unfreiwilliges Geständnis nicht mehr zurücknehmen konnte, musste sie nun versuchen, den Schaden zu begrenzen. Sie würde ihrem Sohn jetzt und hier die ganze Wahrheit sagen.
    Sie stand auf und ging zum Fenster. Nachdenklich starrte sie hinaus und überlegte, wie sie ihrem Sohn von seinem Vater erzählen konnte. Wie sollte sie beginnen, damit der Junge verstehen würde, warum sie seinen Vater verschmäht hatte, obwohl sie ein Kind von ihm erwartete?
    »Casper weiß nichts davon, er vermutet nicht einmal, dass du nicht sein Sohn bist. Der Name deines leiblichen Vaters ist Johannes … Deshalb habe ich dich Johann genannt. Du hast sein Lächeln, seine Haare, seine Augen …«, schwärmte sie.
    »Es hieß immer, ich würde dir gleichen …«, erwiderte Johann. Ein Lächeln huschte über Anneroses Gesicht.
    »Ja, das war mein Glück. Trotzdem sehe ich deinen Vater in dir, und je älter du wirst, desto mehr. Nicht nur äußerlich seid ihr euch ähnlich, auch dein Verhalten, deine klare Sicht der Dinge und … dein Sturkopf, wenn es um das geht, was du liebst – all das hast du von ihm.«
    Johann wandte sich seiner Mutter zu und sah sie erstaunt an.
    »Wie meinst du das?«
    »Dein Vater hätte um mich genauso gekämpft wie du jetzt um Franziska, nur …« Annerose spürte, dass sie diesmal die Tränen nicht zurückhalten konnte. Ihre Lippen zitterten, als sie mit leiser Stimme fortfuhr: »Ich habe es nicht zugelassen. Ich liebte deinen Vater, und je älter ich werde, desto mehr begreife ich, was ich verloren habe …«
    Johann wollte sie unterbrechen, doch sie hob die Hand, damit er sie ausreden ließ. Sie

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