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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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zugehört, um dann heftig zu widersprechen: »Aber manche Frauen beschuldigen sich selbst der Hexerei.«
    Behrhoff hatte den Einwand erwartet und antwortete ohne zu zögern: »Frauen, die sich selbst der Hexerei bezichtigen, sind krank und brauchen Hilfe. Man muss sie zurück zum Glauben führen, statt sie zu verbrennen. Schon der Hofarzt von Lüttich, Johannes Weyer, spricht von einem Blutbad der Unschuldigen. Denn Gott will weder richten, noch will er Rache üben – unser Heiland will erlösen.«
    Der Magister konnte sehen, dass seine Worte Eindruck auf den Mönch machten. Plötzlich schien es Behrhoff so, als sei er nicht zufällig in der Kirche auf den jungen Mann getroffen.
    »Möchtest du mehr über die Ansichten dieser Männer hören?«
    Zum ersten Mal sah Burghard den Magister direkt an. Er nickte. Sollte er heute tatsächlich Antworten finden?, fragte er sich im Stillen.

    Bei einem Glas Milch saß Burghard im Studierzimmer Behrhoffs und las in den Aufzeichnungen der besagten Männer. Vieles musste er mehrmals lesen, um es zu begreifen, aber einen Satz verstand er auf Anhieb: So genannte »Hexen« wurden willkürlich von abergläubischen oder missgünstigen Menschen für jedwedes Unglück verantwortlich gemacht.
    Als der Magister erwähnte, dass diese Schriften in vielen Klosterbibliotheken zugänglich waren, wurde der Blick des Jungen wehmütig. Wie gern hätte er über alles mit Bruder Kuno gesprochen! Burghard war sich sicher, dass der alte Mönch ihm vieles hätte erklären können.
    Nachdem er eine Weile die Schriften Adam Tanners studiert hatte, glaubte er verstanden zu haben, dass ein Geständnis unter der Tortur als nichtig angesehen werden musste. Es leuchtete ihm nun ein, dass als Hexen angeklagte Frauen einen ordentlichen Prozess bekommen mussten und nicht gefoltert werden durften.
    »Du verstehst schnell, mein Junge«, lobte ihn der Magister, nachdem Burghard seine Erkenntnisse laut geäußert hatte.
    Behrhoff nahm einen Schluck aus seinem Weinglas, doch als er sich nachgießen wollte, stellte er fest, dass der Krug leer war. Da es schon sehr spät war, würde er selbst in den Weinkeller hinabsteigen müssen. Im Hinausgehen forderte er Burghard auf,
auch die Schriften des Hofarztes des Herzogs von Jülich-Kleve durchzusehen.
    »Sie liegen auf meinem Schreibtisch …«
    Burghard zauderte nicht lange und suchte auf dem Tisch danach. Die dunkle Eichenplatte war übersät mit Akten, Briefen und Notizen. Nur die Schriften des Arztes konnte er nicht finden.
    Als er eine schwarze Mappe anhob, fielen ihm lose Blätter entgegen. Sein Blick streifte über die Papiere, die mit geschwungener Schrift beschrieben waren. Zwei Wörter stachen hervor und lenkten Burghards Aufmerksamkeit auf den Schriftsatz: »… sectio venae …«
     
    Die Akte berichtete von Thea Hofmann, einem elfjährigen Mädchen, das sich selbst der Hexerei bezichtigt hatte. Da das Gericht ihr Geständnis als Wichtigtuerei abtat, wollte man das Mädchen überzeugen, Reue zu zeigen – doch es blieb bei seiner Aussage.
    Burghard konnte nachlesen, dass das Gericht bis zuletzt zu verhindern versuchte, das Todesurteil gegen das Kind aussprechen zu müssen.
    Hätte das Mädchen nur schlicht gesagt: »Ich bereue!«, wäre es für einige Monate in die Obhut der Kirche übergeben worden und anschließend wieder zu seiner Familie zurückgekehrt. Doch weder Bitten noch Drohungen konnten Thea überzeugen, ihre Aussage zurückzunehmen.
    Das Gericht sah keine andere Möglichkeit, es musste Thea Hofmann zum Tode verurteilen.
    Da man das Geständnis des Mädchens letztlich aber geistiger Verwirrung zuschrieb, handelte das Gericht nach eigenem Verständnis mit besonderer Milde, als es den Tod durch »sectio venae«, dem Ausbluten im warmen Bade, anordnete.
    Der junge Mönch wusste, dass schon in der römischen Antike dieses Todesurteil als schmerzloseste Form der Tötung angesehen
wurde und dass ein solcher Urteilsspruch eher selten vorkam. Man stellte somit die Hinrichtung als gewollte Selbsttötung dar.
     
    Burghards Mund war trocken, und seine Hände waren eiskalt. Er hielt den Beweis dafür in Händen, dass die Verfolgungsgegner im Recht waren, denn Menschen, die sich selbst der Hexerei bezichtigten, waren krank und wirr im Kopf. Ihnen musste geholfen werden, auf den rechten Pfad zurückzufinden. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Mit ungelenken Bewegungen ordnete er die einzelnen Blätter zurück in die Mappe.
    Behrhoff hatte schon eine Weile

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