Das Hexenmal: Roman (German Edition)
einzutreten?«
Katharina hielt die Luft an, da sie glaubte, jeder würde sie anstarren. Gudrun sah zu Otto und war gespannt, wie er sich verhalten würde. Er funkelte den Mönch böse an und antwortete an Katharinas Stelle: »Natürlich nicht! Wie kommt Ihr darauf? Katharina und ich werden bald heiraten.«
»Oh, meinen Glückwunsch!« Servatius sah zerknirscht zu Katharina, die den Blick senkte und nervös ihren Rock knetete. Gudrun stand auf und verabschiedete sich rasch. Auf Barbaras’ Frage, ob sie morgen wiederkäme, sah das Mädchen zu Otto und antwortete leise: »Das kann ich Euch nicht zusagen, da ich nicht weiß, ob meine Mutter mich in der Schneiderei braucht.«
Verständnisvoll nickte Barbara und wünschte Gudrun eine gute Nacht. Otto hingegen tat, als ob ihn das nichts anginge, und verwickelte den Magier in ein Gespräch.
Auch Katharina ging zu Bett, da ihr Servatius’ Antworten im Kopf umherschwirrten. Leise weinte sie in ihr Kissen, denn auch heute Abend war ihr wieder klargeworden, dass sie von ihren Träumen ein für alle Mal Abschied nehmen musste.
Barnabas und Servatius verabschiedeten sich ebenfalls. Als Barbara sie einlud, eine Schlafstelle im Untergeschoss zu beziehen, lehnte der Magier dankend ab, da sie im Zimmer von Albert Jacobi nächtigen wollten.
»Es ist die erste Nacht nach der Behandlung, deshalb möchten wir bei ihm sein, falls er aufwacht.«
Barbara war von so viel Verantwortungsbewusstsein beeindruckt und folgte den beiden nach oben, um noch einmal nach ihrem Mann zu sehen.
Otto blieb noch eine Weile allein am Tisch sitzen und dachte kopfschüttelnd über den Abend nach. Dass seine Schwiegermutter ihm ihre Sorgen offenbart hatte, konnte er sich nicht erklären. ›Was die Alte wohl geritten hat! Jetzt, da sie mich braucht, schmiert sie mir Honig ums Maul. Ja, so schnell kann sich das Blatt wenden. Aber mir soll es recht sein.‹
Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern ließ seine Gedanken zu Gudrun schweifen. Ihm war ihr trauriger Blick nicht entgangen, als er Servatius beschieden hatte, dass er bald Katharina heiraten würde. Aber das war so beschlossen, und so würde es geschehen. Eine Heirat durfte man nicht von Gefühlen abhängig machen. Hier galten andere Gesetze. Was sollte er mit der Tochter eines Schneiders anfangen – egal, wie sehr sie ihm gefiel. Er war Töpfermeister, und da heiratete man in dieselbe Zunft! ›Otto‹, dachte er, ›komm wieder zu dir. Am Gescheitesten
wäre es, wenn die Hochzeit schon nächsten Monat stattffände.‹ Ja, das wäre das Beste. Sobald es dem Schwiegervater wieder besser ging, würde es ihm schon gelingen, ihn dazu zu überreden.
Zufrieden ging er zu Bett und träumte von einem dunkelhaarigen Mädchen mit rosigen Wangen namens Gudrun.
Kapitel 40
Johann und Franziska standen auf dem Gipfel des Hülfensbergs und genossen die atemberaubende Aussicht. Franziskas Augen glänzten bei der Vorstellung, dass seit Jahrhunderten die Menschen auf den kegelförmigen Berg pilgerten. Endlich war auch sie eine von ihnen.
Ein älteres Paar gesellte sich zu ihnen. Der Mann schien aus der Gegend zu stammen, denn er erklärte seiner Frau jeden Ort, der im Tal zu sehen war. Augenzwinkernd sagte er zu den jungen Leuten: »Der mühevolle Aufstieg hat sich gelohnt, nicht wahr?«
Franziska nickte. Schon ihre Mutter hatte ihr als Kind erzählt, wie schön es auf dem Hülfensberg sei und dass man einmal im Leben einfach auf den Gipfel müsse, denn nirgendwo sonst wäre man dem Schöpfer so nah. Dankbar sah Franziska in den wolkenlosen Himmel.
»Ihr kennt die Orte dort unten?«, fragte Johann den Älteren.
»Ja, alle«, nickte der Mann und schien froh, jemanden gefunden zu haben, dem er sein Wissen mitteilen konnte. Mit stolzem Gesichtsausdruck berichtete er: »Man erzählt sich, Bonifatius habe diesen Orten ihre Namen gegeben.« Mit dem Zeigefinger wies er auf die Dörfer und Landstriche im Tal. »Hier direkt unter
uns siehst du das Werratal. Genau an dieser Stelle, wo wir stehen, soll Bonifatius gestanden und gefragt haben: »Wann wird Friede schweben da über dieser Aue?« Seitdem heißen die Dörfer Wanfried, Frieda, Schwebta und Aue.«
Fragend sahen Johann und Franziska die beiden an, woraufhin die Frau lachend erklärte: »Bonifatius soll undeutlich gesprochen haben, weshalb ›schweben da‹ sich anhörte wie ›schwebda‹ und so soll das Städtchen seinen Namen bekommen haben. Es sind lustige Geschichten, und jeder, der sie
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