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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Kapelle. Als Anna ihn sah, griff sie sich an die Kehle, da sie glaubte zu ersticken. Die Enge in ihrem Hals war zurückgekehrt. Wie ein gehetztes Tier lief sie zum anderen Ausgang. Als sie sich noch einmal umblickte, sah sie, wie die Ordensfrau mit Wilhelm sprach, der daraufhin seiner Frau mit böser Miene hinterherblickte.
     
    Draußen versuchte Anna tief durchzuatmen, doch die Luft schien ihre Lungen nicht zu erreichen. ›Clemens‹, dachte sie, ›habe ich etwa geträumt, dass du noch lebst? Bin ich vielleicht verrückt geworden?‹ Tränen rannen ihr über die Wangen. Um sich selbst zu beruhigen, lief sie zu der Stelle, wo am Tag zuvor der Holzkarren gestanden hatte – aber der Platz war leer.
    »Ich bin wahnsinnig!«, flüsterte sie und griff sich ans Herz, das laut in ihrem Brustkorb pochte. Zweifelnd und verloren stand sie zwischen den Bäumen und wusste nicht wohin.
    Friedrich Schildknecht hatte vor der Kapelle gewartet, da er hoffte, Anna dort zu treffen, um mit ihr sprechen zu können. Als er einen Blick ins Innere des Gotteshauses warf, sah er sie dort sitzen – neben ihr die Ordensfrau. Da er Münzbacher erkannte, der auf dem Weg zur Kapelle war, verbarg sich der junge Arzt rasch hinter ein paar Verkaufsbuden. Von dort konnte er unbemerkt sehen, wie die Tür der Kapelle aufflog und Anna herausstürmte. Er wollte ihr nacheilen, doch als Münzbacher und die Nonne ebenfalls aus dem Portal traten, suchte er wieder Schutz zwischen den Ständen. Auch diesmal legte Münzbacher der Ordensfrau Geldstücke in die Hand, die diese mit unbewegter Miene entgegennahm. Als der Notar noch etwas fragte, schüttelte sie den Kopf. Daraufhin ging die Nonne ihres Weges. Münzbacher jedoch sah sich suchend um.
    ›Sicher schaut er nach Anna, der miese Hund‹, dachte Friedrich erbost.
    Zwischen all den vielen Menschen, die sich vor der Kapelle tummelten, konnte Münzbacher Anna jedoch nicht finden. Er ging stattdessen zu einem Händler, bei dem er sich einen Krug Bier kaufte.
    Den Augenblick, als der Notar sich dem Händler zuwandte, nutzte Friedrich und eilte ungesehen in die Richtung, in der Anna verschwunden war.
     
    Anna wollte nicht zurück zu den vielen Menschen und floh tief in den Wald hinein. Als sie keine Stimmen mehr hören konnte, kniete sie im weichen Moos nieder. Sie glaubte zu ersticken und zog den Kragen ihres Kleides vom Hals weg. Verzweifelt blickte sie zu den Kronen der Bäume empor und schrie laut: »Warum?«
    Plötzlich fasste sie jemand am Arm, und bevor sie Angst überkommen konnte, sprach der Bauer besänftigend zu ihr: »Anna, ich bin es – Burghard, der Begleiter Eures Bruders!«
    In panischer Angst sprang sie auf und schlug wild um sich, da sie ihn für ein Trugbild ihres Wahnsinns hielt. Burghard versuchte sie zu beruhigen, aber Anna fing an, hemmungslos zu schluchzen. Erst als sie eine vertraute Stimme hörte, beruhigte sie sich wieder, und ihr Weinen wurde leiser. Es hörte gänzlich auf, als die Stimme ein Lied summte, das ihre Mutter stets zu singen pflegte, wenn sie als Kind schlecht geträumt hatte. Langsam drehte sie sich in die Richtung, aus der das Summen kam. Eingehüllt in einen hellen Mantel stand ein Mann vor ihr, dessen Gesicht sie nicht erkennen konnte, da er die Kapuze tief über den Kopf gezogen hatte. Trotz der Vermummung war sich Anna sicher, dass ihr Bruder vor ihr stand. Mit einem Aufschrei rannte sie auf ihn zu und blieb kurz vor ihm stehen.
    »Clemens!«, flüsterte sie »Du lebst? Ich bin also nicht wirr im Kopf?«, fragte sie leise.
    »Nein, Anna, du bist gesund. Und ich lebe.«
    »Warum zeigst du nicht dein Gesicht?«
    »Weil ich durch den Brand Verletzungen erlitten habe, die es entstellen. Diesen Anblick möchte ich dir ersparen.«
    Trotzdem ging Anna zaghaft einen Schritt näher – dann noch einen. Sie kam so dicht an ihn heran, dass sie seinen warmen Atem in ihrem Gesicht spüren konnte. Langsam griff sie nach der Kapuze. Clemens hielt im letzten Moment ihre Hand fest und flüsterte: »Nicht, Anna, es wird dich erschrecken!«
    »Du bist mein Bruder, Clemens! Nichts kann mich erschrecken. Für mich zählt einzig und allein, dass du lebst.«
    »Gegen deinen Sturkopf kam ich noch nie an«, lachte Clemens verhalten. Auch Anna lächelte, als sie die Kapuze zurückzog. Dann stockte ihr der Atem, und sie musste sich zusammennehmen, um weder entsetzt aufzuschreien noch sich die Hand vor den Mund zu pressen. Anna brauchte nur wenige Sekunden, dann hatte sie sich gefangen

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